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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

verriethen die häufige Anwendung der Peitsche. Ein dritter Neger hatte jedoch das härteste Loos. Die Leine seines Halsbandes war an den Sattelgurt des Pferdes von dem dritten Reiter angebunden, und dem Unglücklichen blieb somit keine andere Wahl, als mit dem trabenden Pferde gleichen Schritt zu halten, oder über Gräben, Dornbüsche und Gestrüpp geschleppt zu werden. Seine Füße und Beine, mit Blut bedeckt, boten einen schrecklichen Anblick. Diese drei Sklaven waren zwei Tage zuvor entsprungen, weil sie fürchteten, nach dem Mississippi oder nach Louisiana gebracht zu werden. „Seht,“ sprach Miß Forth, indem sie ihre schwarzen Mädchen rief, „was den schlechten Negern geschieht, die ihren guten Herrn entlaufen!“ Gleichgültig und mit lachendem Munde (was deutlich zeigte, wie gewöhnlich derlei Scenen diesen armen Kindern waren), drückten sie ihr Mißfallen über diese schlechte Aufführung aus.

Kentucky ist, ohne alle Uebertreibung, eines der schönsten Länder auf der Erde. Das Klima ist dasselbe, wie im Süden von Frankreich; Früchte aller Art erreichen den höchsten Grad von Vollkommenheit, und ungern verließe man dieses Land, wenn der Charakter seiner Bewohner weniger unfreundlich wäre.

Alles, nur nicht des Menschen Geist ist göttlich. Die Bewohner bestehen hauptsächlich aus Auswanderern von Virginien, Nord- und Südcarolina und aus Abkömmlingen der Pflanzer in den schwarzen Wäldern – einer stolzen, trotzigen und hochmüthigen Menschenklasse. Sie siedelten sich unter unaufhörlichen Kämpfen mit den Indianern an, die sich dadurch an ihnen rächen, daß sie ihre eigene grausame und unversöhnliche Gemüthsart auf ihre Vertilger übertragen. Dieß ist ein Hauptzug des Kentuckiers. Er lauert drei, vier Wochen in den Wäldern auf den Augenblick, wo er seine Rache sättigen kann, und selten oder nie vergibt er. Die Männer haben eine athletische Gestalt, und es finden sich unter ihnen viele Musterbilder männlicher Schönheit. Die Volksmenge beläuft sich nun an 757,000 Köpfe, 15,000 Sklaven mit eingerechnet. Die Pflanzer bilden die angesehenste Klasse und die Masse der Bevölkerung. Nächst oder gleich ihnen an Rang stehen die Rechtsgelehrten, und ebenso die Kaufleute und Manufakturisten. Die Aerzte und die Geistlichen nehmen eine niedrigere Stufe ein, und am Wenigsten geachtet sind jene Handwerker und Landbauer, die keine Sklaven haben. Diese werden nicht besser, als die Sklaven selbst behandelt. Die Konstitution neigt sich zum Föderalismus; der Besitz von Grundeigenthum bedingt die Fähigkeit zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes. Die Geistlichen jeder Glaubensform sind von öffentlichen Stellen ausgeschlossen. Kentucky ist für neue Ansiedler nicht zu empfehlen. Sklaverei – Unsicherheit des Besitzes – Trennung der Gerichtsbehörden in zwei Parteien, die sich gegenseitig wüthend befeinden – an der Spitze der Verwaltung ein Mensch, der seinem hohen Posten Schande und Unehre bringt, und dessen Sohn in Großbritannien längst gehangen wäre – äußerst schlechter Kurs etc. – sind lauter Dinge, die jedem Freunde der Ruhe und des Friedens höchst bedenklich sind. – Leidenschaften wirken mit doppelter Macht, wo Reichthum und Willkür über eine Heerde von Sklaven herrscht, und vierzigjähriger Kriegsstand mit den Wilden hat den Samen der gesetzwidrigsten und der unbändigsten Rachsucht ausgestreut.

Diese Leute sind der Schrecken aller Kreolen, welche den höchsten Grad von Barbarei mit dem Namen Kentuckier bezeichnen; und das schlimmste ist, daß sie unter dem Namen Kentuckier den ganzen Norden begreifen.

So spricht man in Natchez, wo die brutale Aufführung der kentuckischen Reisenden die einst so gastfreundlichen Pflanzer nöthigte, allen Fremden ihre Thür zu verschließen. Und es ist daher kein Wunder, daß eine Reise hier zu Lande verrufen ist, denn sie wird sehr beschwerlich durch die schlechten Wege, und den noch schlechtern Zustand der Wirthshäuser. Früher konnte man auf die Gastfreundlichkeit der französischen Kreolen rechnen. Wer bei ihnen einsprach, fand die willkommenste Aufnahme. Die Kentuckier pflegten nun auf ihren Wanderungen in Pflanzungen einzukehren, wo sie Rum, Branntwein u. s. w. unentgeltlich erhalten konnten, betrugen sich aber mit solcher Anmaßung und solchem Uebermuth, daß sie die Kreolen häufig in ihren eigenen Behausungen französische Hunde schalten und niederstachen, wenn sie nur das geringste Zeichen von Mißfallen äußerten.



Indische Architectur.

Ram Raz, ein gelehrter Brahmine, der sich als Secretär der Schulbüchergesellschaft von Madras bereits große Verdienste um die Bildung seines Vaterlandes erworben hat, beabsichtigt binnen Kurzem einen Versuch über die indische Architectur herauszugeben, der von Beschreibungen und Abbildungen einiger Tempel und Porticus im Carnatik begleitet seyn soll. In einem Briefe, der in der Asiatic Society zu London vorgelesen wurde, klagt er indessen über die Schwierigkeiten, welche seiner Arbeit durch die Eifersucht der Architecten-kaste gegen die Kaste der Brahminen in den Weg gelegt wurden. Die ersteren hielten nämlich ihre heiligen Bücher, in denen die Theorie ihrer Kunst niedergelegt sey, vor der Welt verborgen, obgleich sie selbst die Sprache, worin sie geschrieben wären (Sanscrit), längst verlernt hätten, und begnügten sich mit ihren practischen Regeln, die vom Vater auf den Sohn vererbt werden.



Van Halen.

Von den in diesen Blättern bereits erwähnten Memoiren des Obristlieutenants Don Juan van Halen ist kürzlich erst in Paris das spanische Original erschienen – unter dem Titel: Narracion de D. Juan van Halen etc., escrita por el mismo (Par. 1828. 2 Bde. 8.) – welches, wenn nicht vollständiger, doch in jeder Beziehung sorgfältiger ausgearbeitet ist, als die bisher allein bekannten Uebersetzungen. Die Zusätze, welche in der Vorrede erwähnt werden, sind indeß unbedeutend, und meist von der Art, wie etwa Th. 1. S. 98. das Verschen eines Mitgefangenen in Murcia:

Marcha, mosquito importuno, Gehe, unverschämte Fliege,
Marcha, marcha á los salones, Gehe, geh’ in die Salone,
Dejame en mi calabozo, Lasse mich in meinem Kerker,
Que ojala no fuero mio. Der Nichts einschließt, außer mir.

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_746.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)