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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Bemühungen im Kleinen ist er dahin gekommen, den Ertrag seines Bodens beinahe völlig unabhängig von dem Einflusse der Witterung zu machen; und dieß ist es, was wir als die letzte Stufe der Vollkommenheit in der practischen Agricultur betrachten müssen.

Aber man versetze diesen Menschen nur fünfzig Lieues von seiner Heimat auf einen Boden von verschiedener Qualität, der folglich auch eine andere Behandlungsart erfordert; man versetze ihn in eine Gegend, wo er keinen vortheilhaften Markt für die Producte findet, die er allein zu bauen gewöhnt ist, und man wird diesen selben geschickten Feldbauer bei jedem Schritt die gröbsten Fehler machen sehen. Wenn die Agricultur eines Landes sich in diesem Zustande befindet, so wird die beste Verfahrungsweise vom Vater auf den Sohn überliefert, kann sich aber unmöglich weiter verbreiten, weil der, welcher sie an einen anderen Ort verpflanzen wollte, mit den Veränderungen, die andere Umstände nöthig machen würden, unbekannt ist.

Die englischen Landbauer dagegen sind nicht auf sclavische Nachahmung beschränkt, sie haben Thatsachen studirt und verglichen und Erfahrungen gesammelt unter den verschiedensten Climaten und unter den mannigfaltigsten Umständen; sie haben die Resultate neben einander gestellt, und Grundsätze aus denselben gefolgert, die unter allen Umständen anwendbar sind: mit einem Worte, sie haben die Theorie der Kunst geschaffen. Von diesem Augenblicke an wurde die Einführung der Wechselwirthschaft einem Jeden möglich, der lesen konnte, und von diesem Augenblicke hat dieses System der Cultur sich bei ihnen mit reißender Schnelligkeit verbreitet.

Gleichfalls in Flandern und zu derselben Zeit haben die Engländer zuerst den Pflug ohne Vorgestell (charrue sans avant-train, swing-plough) kennen gelernt, der gegenwärtig in der ganzen Ausdehnung des brittischen Reiches allgemein in Gebrauch ist; aber sie haben, indem sie die Hauptgrundlage des Instrumentes annahmen, die Formen desselben so verändert, daß es für jede Art von Boden geschickt wurde. In Frankreich hat die geringe Anzahl von Personen, welche den belgischen Pflug kennen, sich damit begnügt, zu sagen, daß er für keinen andern Boden anwendbar wäre, als den, in welchem man sich desselben in seiner Heimat bediente. Jeder District hat seinen alten Pflug beibehalten, der in dem größten Theile von Frankreich die Kosten des Feldbaues verdoppelt oder den Ertrag desselben wegen der schlechten Furchen, die er zieht, in demselben Verhältniß vermindert.

Eine große Anzahl vervollkommneter Ackerbaugeräthe, die in England erfunden sind, haben sich dort mit derselben Schnelligkeit verbreitet, wie der einfache Pflug. Ein schottischer Mechaniker, Namens Meikle, erfand die Dreschmaschine; sie ist gegenwärtig auf allen Gütern von einiger Bedeutung in ganz Großbritannien eingeführt und erhöht den reinen Ertrag des Getreidebaus wenigstens um ein Drittheil, indem sie die Menschen der anstrengendsten und dabei ungesundesten Feldarbeit überhebt. – Ein englischer Pächter, ein Mann von wahrem Genie, Bakewell erkannte vor ungefähr sechzig Jahren zuerst die Fehler der Methode, die bisher bei der Fortpflanzung und Aufziehung der nützlichsten Hausthiere beobachtet worden war, er versuchte sowohl unter dem Wollenvieh, als unter dem Hornvieh besondere Racen zu bilden, die den verschiedenen Arten der Benutzung, zu welcher sie der Agricultur dienen, besonders entsprechend wären. Dieser Mann hat es durch Mühe, Geduld, Sorgfalt und unablässige Beobachtungen dahin gebracht, das Vieh, welches er zog, in Bau und Gestalt völlig seinen Absichten gemäß zu bilden und er hat so eine neue Kunst geschaffen, die sich alle Viehzüchter sogleich angeeignet haben und die seitdem für die Nation eine Quelle von unermeßlichen Reichthümern geworden ist.

Während dieses bewunderungswürdigen Aufschwunges der englischen Industrie ist Frankreich beinahe in allen Theilen des Feldbaus auf der Stufe, die es von Anfang einnahm, stehen geblieben. Die Kenntnisse, die man in Bezug auf die Viehzucht hat, sind hier noch auf demselben Puncte, auf welchem Bakewell dieselben in England fand. Man betrachtet als das Hauptverdienst sowohl bei dem Schlachtvieh, als bei dem, welches zur Production der Milch oder der Wolle bestimmt ist, den größten Wuchs oder den größten Umfang, oder die größte Quantität Milch, Butter oder Wolle, die man von jedem Stück gewinnt; während doch alle diese Rücksichten bei der Wahl einer Race ganz und gar nicht in Betracht kommen dürfen. Nirgend hat man Untersuchungen über das Verhältniß angestellt, welches sich bei jeder Race zwischen der Quantität des verbrauchten Futters und der Quantität Fleisch, Unschlitt, Milch, Arbeit oder Wolle findet, die man erhält; und dieß war doch gerade der Punct, auf den es vor Allem ankam. Man spricht häufig von der Schönheit eines Stiers oder Widders, aber immer setzt man diese Schönheit in den willkürlichen Vorzug, den man diesen oder jenen Formen giebt, ohne daß dieselben mit den Qualitäten, die das Vieh besitzen soll, um die verschiedenen Dienste zu leisten, die man von demselben verlangt, im geringsten Zusammenhang stünden.

Gegenwärtig fängt indessen auch Frankreich, da es alle Nachbarstaaten ein neues System der Agricultur annehmen sieht, das die Hülfsquellen derselben vervielfältigen muß, an zu begreifen, daß ihm nicht länger die Wahl bleibt, ob es gleichfalls dieses System annehmen will, oder nicht. In der That, wenn Alles um uns her fortschreitet, stehen bleiben zu wollen, ist ein wahrer Rückschritt; ja wenn Alles mit der reissendsten Geschwindigkeit fortschreitet, nur langsam fortzuschreiten, ist gleichfalls ein wahrer Rückschritt. Das was gegenwärtig einer großen Anzahl von Menschen, die diese allgemeine Bewegung gern theilen möchten, allein fehlt, sind die landwirthschaftlichen Kenntnisse, die sie sich nicht zu erwerben wissen. Aus Büchern diesen Unterricht zu schöpfen ist bei der großen Anzahl von schlechten, welche die geringe Anzahl von guten Werken verschlungen hat, so gut als unmöglich; außerdem haben einzelne fehlgeschlagene

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 723. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_749.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)