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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Versuche auch gegen jene, die am Besten gelungen sind, mißtrauisch gemacht, und die einzelnen Verbesserer finden daher keine Nachfolger außer denen, die nicht zufällig Zeugen ihres Verfahrens waren.

Schon vor vierzig Jahren, als die Grundsätze der Agricultur noch sehr unsicher waren, errichtete die Regierung in Frankreich eine gewisse Anzahl von Versuchspachten (fermes expérimentales), die dazu bestimmt waren, die neuen Methoden zu prüfen und über dunkle Puncte der Kunst Aufklärung zu erhalten. Dieser Zweck, den sie auf keine Weise erfüllt haben, ist seitdem bei andern Nationen und in Frankreich selbst durch die Erfahrung von Privatmännern erreicht worden, und folglich als Ziel nicht mehr vorhanden. Die Theorie der Kunst ist geschaffen, es handelt sich nur noch um die Anwendung, und es kann daher nicht mehr die Rede von Versuchspachten, sondern nur von Musterpachten (fermes exemplaires) seyn, in denen man die bereits hinlänglich versuchte und erprobte Methode anwendet und anwenden lehrt.

Diese Musterpachten müssen, um ihrem Zweck zu entsprechen, nicht nur das Vorbild eines sehr productiven, sondern auch eines lucrativen Feldbaus seyn; sie müssen mit Gewinn betrieben werden. Man kaufe oder pachte auf bedeutende Zeit ein Gut von einigem Umfang, setze dem Anbau desselben einen Mann von Talent und Kenntnissen vor und vertraue ihm ein Capital an, das hinreichend ist, um damit eine gute Cultur einzuführen; man lasse ihm vollkommene Freiheit des Thuns, lege ihm aber dagegen schwere Verantwortlichkeit auf und überlasse ihm zur Belohnung seiner Bemühungen, und um sein Privatinteresse mit dem öffentlichen Interesse zu vereinigen, den Ertrag des Gutes, und man wird ein Etablissement gründen, dessen leicht zu berechnende Kosten sich auf die ersten Anlagen beschränken, und von dem der gute Erfolg so fest als immer möglich gesichert ist.

Eine auf diese Art organisirte Musterpacht würde beinahe in die Classe der Privatbenutzungen zurücktreten; und man wird daher leicht geneigt seyn, anzunehmen, daß man den Besitzern selbst überlassen könne, dieselbe zu stiften, oder das neue System auf ihren Gütern einzuführen. Wenn dieß aber nicht geschieht, es sey aus Unwissenheit oder aus Furchtsamkeit, ist es dann nicht nothwendig, sie durch das Beispiel zu ermuthigen und sie durch die Mittel eines praktischen Unterrichtes zu unterstützen? Außerdem hat eine Musterpacht dieser Art den Vortheil, daß ihr Verfahren nicht, wie dieß meist bei bloßen Privatunternehmungen der Fall ist, verborgen und, außer in der nächsten Nachbarschaft, unbekannt bleibt, sondern daß die Erfolge derselben der ganzen Nation offen vor Augen liegen und daher eine allgemeine Nacheiferung hervorrufen.

Das, was bisher die Regierung versäumt hat, ist, freilich in kleinerem Maßstabe, von Privatmännern ausgeführt worden. Ein Anzahl von Einwohnern in dem Departement de la Meurthe schoß durch Subscription oder durch den Verkauf von neunzig Actien zu 500 Franken ein Capital von 45,000 Franken zusammen, und stellte dasselbe zur Verfügung eines geschickten Landwirthes, des Hrn. de Dombasle, der sich verpflichtete – aber ohne Garantie – 5 pro Cent Interessen von demselben zu zahlen, und auf einem Gute von ungefähr 180 Hectaren Landes, das er in Pacht nahm, eine Musterwirthschaft anzulegen. Diese ist jetzt bereits mehrere Jahre in Gang; [1] und Hr. de Dombasle ist in diesem Augenblick damit beschäftigt, neben derselben zwei Institute zu gründen, welche den Einfluß des von ihm gegebenen Beispieles beträchtlich erweitern müssen: eine Fabrik für verbesserte Ackerbauinstrumente, und eine Anstalt, in welcher junge Leute aufgenommen werden, die sich mit der neuen Methode bekannt zu machen wünschen.

Eine Schule dieser Art hat bisher nirgends in ganz Frankreich bestanden; in einem Nachbarlande, in der Schweiz, gründete bereits vor dreißig Jahren Herr von Fellenberg eine solche Schule, die bald sehr berühmt wurde und Zöglinge aus allen Theilen der Welt aufnahm: aber sie verdankte ihren Namen mehr der Neuheit des Gegenstandes und einzelnen nützlichen Erfindungen ihres Stifters, als dauerndem Erfolg. Von vierhundert jungen Leuten, die aus dem Fellenbergschen Institut hervorgegangen sind, hat nach seinem eigenen Geständniß nur eine sehr geringe Anzahl Fortschritte in der practischen Landwirthschaft gemacht. Und dieß kann außerdem Niemand befremden, wenn man weiß, welche Summen die Unterrichtsstunden kosteten, die hier ertheilt wurden. Die ungeheuren Ausgaben, die Hr. v. Fellenberg machte, um den Landbau auf seinem Gute Hofwyl zu verbessern, haben ein beträchtliches Vermögen verschlungen. Nach der Zeit hat er, um sich von seinen Verlusten zu erholen, den Zweck seines Institutes verändert und aus demselben eine bloße Erziehungsanstalt gemacht. Der Erzieher hat wieder gewonnen, was der Landwirth verloren hatte; der Luxus und die Pracht, die jedem, der Hofwyl besucht, überall entgegentreten, zeugen von großem Wohlstande. Um indessen seine früheren Bemühungen nicht vor dem Publikum selbst für unzweckmäßig zu erklären, hat Hr. von Fellenberg, als er Erzieher wurde, den Schein angenommen, als bliebe er Landwirth; er hat seine Feldwirthschaft beibehalten. Alle Reisenden erstaunen über die herrlichen Ernten, über prächtiges Vieh, über Gebäude, die auf die erfindungsreichste Art gebaut und auf das Vollkommenste erhalten sind; nur wenige berechnen, was alles dieß kosten muß, ehe sie es bewundern; aber diese sind der Meinung, daß zu Hofwyl der Erzieher die Kosten des Landwirths zahlt und daß diese berühmte Landwirthschaft nur ein prächtiges und kostbares Aushängeschild ist, welches über der Thür der Erziehungsanstalt hängt.

(Fortsetzung folgt.)
  1. Die Resultate des Verfahrens und der Beobachtungen des Hrn. de Domasle sind in einem Werke niedergelegt, von welchem bisher unter dem Titel: Annales agricoles de Roville, par M. de Dombasle, jährlich ein Band erschienen ist. – Roville heißt die Gemeinde – zwischen Epinal und Nancy, – in welcher die Musterpacht des Hrn. von Dombasle gelegen ist.
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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 724. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_750.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)