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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

stirbt, so ließ es der Ehrgeiz oder die Habsucht der Bewerber um einen Posten, der so einträglich ist, nicht an Umtrieben und Kabalen fehlen, und ein Ausbruch blutiger Scenen stand bevor, wenn nicht Ayub, der Kaschef der Stadt, sich ins Mittel geschlagen hätte. Indem er seine Autorität durch 1500 Mann Soldaten aus der Seve’schen Schule unterstützte, gelang es ihm, den Frieden zu erhalten.

Zwei Lieues weiter abwärts findet man Alt-Koßeyr, welches das ehemalige Berenice seyn soll. Aber in den Umgebungen weder von Alt- noch von Neu-Koßeyr entdeckt das Auge auch nur einen einzigen Baum, einen einzigen grünen Fleck: jedes Korn Getreide, womit sich die Einwohnerschaft nährt, wächst an den Ufern des Nils.

Die Bergkette, welche den Golf, so zu sagen, bis Abyssinien begleitet, nimmt unterhalb Koßeyr den Namen des Smaragdgebirges an; diese Berge entfernen sich bald auf weite Entfernung von der See, bald nähern sie sich wieder und verlängern sogar oft ihre Felsenwurzeln bis unter die Fluthen, wo sie gefährliche Riffe bilden, in deren Bereich der Schiffer, nicht ohne große Vorsicht, zumal während des Winter-Monsuns, sich wagen darf.

Im Verfolg der Fahrt gegen Süden fand ich als den bedeutendsten Platz die eben so stark durch Natur, als durch Menschenkunst befestigte Stadt Suakin. Sie liegt auf einer kleinen, runden Insel, die keine halbe Lieue im Umfang hat; in der Nähe ist guter Grund, in einiger Entfernung aber ist das Meer treuloser als irgendwo. Seit den nubischen Siegen Ismaëls, des Sohnes Mehemmed Ali’s, liegt in Suakin egyptische Besatzung und der Statthalter von Maßua und Dalek nimmt vorzugsweise daselbst seinen Aufenthalt: wir erhielten von ihm Erfrischungen, die unter diesen Breiten eine außerordentliche Seltenheit sind. Vier Lieues von der Stadt an der Küste hat er große Anlagen, die ihm seine Sklaven wäßern; und wenn die Strauße, deren es hier viele giebt, oder ein giftiger Wind, den die Araber Uri nennen, ihn nicht um die Ernte bringen, so kann er seine Tafel mit herrlichen Ananas, Melonen, Bisamcitronen, Limonien und andern Gartenfrüchten zieren.

Mitten durch diese Gebirge, die das afrikanische Ufer umstarren, sollte, nach dem Plane Albuquerque’s, der Nil in das rothe Meer geworfen werden, damit die Zeit der Größe Egyptens, wo dieses Land den portugiesischen Handelsherren gefährlich werden könnte, mit der Entziehung des befruchtenden Stromes, der Hauptquelle seines Reichthums, auf immer vorbei wäre. Albuquerque, der die Freundschaft des Kaisers von Abyssinien gewonnen hatte, verlangte von König Emanuel I 1500 Arbeiter, um durch einen Kanal von Dongola aus den Nil abzuleiten; diese waren bereits von Madeira angekommen, als man bei näherer Untersuchung der Sache auf so viele Hindernisse des Terrains stieß, daß man das ganze Vorhaben aufgab.

Von 25° bis 16° läßt die Westküste keine Schifffahrt zu: es existirt zwar ein hundert Lieues langer Kanal durch die Untiefen und Sandbänke, den aber außer der leichten Barke des Afrikaners der rothen Meerküste kein Fahrzeug befährt. Eine solche Barke ist ganz ein Geschenk des Palmbaums; dieser liefert nicht nur das Holz zum Bau, Masten, Segel- und Takelwerk zur Ausrüstung des Schiffs, sondern auch alle Reisevorräthe, Brod, Wasser, Wein, Essig, Zucker, Oel etc. Indem man nehmlich den Palmbaum der Länge nach zersägt, so erhält man die nöthigen Planken und mit den Bändern, die man aus der Wurzel dreht, hält man die Planken zusammen. Aus derselben Wurzel bereitet man ein Takelwerk, das sich für die größten Schiffe eignet; aus dem Stamm Mast und Raa; aus den an einander genähten Blättern Segeltuch, ja auch Säcke, welche die Araber Mancanda nennen. Ein auf diese Weise segelfertig gemachtes Schiff braucht nun blos die Frucht dieses Baums zu laden, um mit allen Bedürfnissen versehen zu seyn. Es gibt keinen Monat im Jahr, wo nicht die Palme, je nach der Güte des Baumes und des Bodens, eine Hülse mit zwanzig bis fünfzig Kokosnüßen erzeugt; aus der Hülse, [1] die man am Baum öffnet, gewinnt man den sogenannten Sorosaft. Derselbe ist eine ungemein wohlschmeckende, klare und gesunde Flüssigkeit, welche zur See die Stelle des Wassers vertritt und die Eigenschaft hat, sich zu verdichten; gekocht, wird daraus ein Zucker, den die Indier hoch schätzen, abgezogen, der sehr starke Napabranntwein, der auch in einen vortrefflichen Essig verwandelt werden kann.

Diese verschiedenen Erzeugnisse des Palmbaums sind bloße Präliminarien der eigentlichen Kokosernte, die erst Statt findet, nachdem der frische, köstliche Saft, welchen die Kokonuß vor ihrer völligen Zeitigung enthält, sich zu einem eben so köstlichen Mark verhärtet hat. Die zweite Rinde, welche die noch grüne Frucht, Lanhâ genannt, mit jener Flüssigkeit umschließt, ist so zart, daß man sie mit Vergnügen ißt. Das Mark der reifen Frucht zerreibt man entweder zu Mehl und backt Kuchen oder man preßt ein Oel daraus, welches in Indien einen bedeutenden Verschluß hat, und theils als Räucherwerk und Gewürz, theils als ein, besonders bei Quetschungen wirksamer, Wundbalsam, gebraucht wird. Auch die Schale der Frucht bleibt nicht unbenutzt, man verarbeitet sie zu Tassen und Büchsen; so daß man wirklich sagen kann, der Palmbaum seye hinreichend, um Schiffe zu bauen, sie anzutakeln und mit Brod, Wein, Essig, Branntwein, Zucker, Oel, Wasser und Balsam zu beladen.

Von Suakin bis zur Insel Dalaka, auf einer Strecke von 20 Lieues wehte fortwährend von Afrika her der glühende Uri. Die Athmosphäre war in heiße Staubwolken gehüllt, welche, wenn sie sich in das Meer warfen, auf den Wellen die täuschende Erscheinung des Hagels hervorbrachten. Bei Dalaka werden die gelben Perlen gefischt, woran Arabien einen schönen Handelszweig besitzt.

Vierzig Lieues näher der Linie, an einer nicht sonderlich sichern Bucht, liegt die Stadt Bayluhr [2] oder

  1. Durch Einschnitte in den Baum selbst wird zwar jener Saft auch abgezapft, aber der Baum wird erschöpft und stirbt ab.
  2. Die dortige Landschaft war nicht immer so unfruchtbar und armselig wie jetzt, wenn anders, wie einige Schriftsteller
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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 726. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_752.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)