die kleine Luft in seiner Grube aus,
vergaß sein Alter und sein Angesicht
und lebte wie ein fensterloses Haus
und starb nicht mehr, als wär er lange tot.
als wäre Frost in jedes Buch gekrochen,
und wie die Kutte hing von ihren Knochen,
so hing der Sinn herab von jedem Wort.
Sie redeten einander nicht mehr an,
sie ließen ihre langen Haare hängen,
und keiner wußte, ob sein Nachbarmann
nicht stehend starb.
In einem runden Raum,
versammelten sich manchmal die Gefährten
vor goldnen Türen wie vor goldnen Gärten
und schauten voller Mißtraun in den Traum
und rauschten leise mit den langen Bärten.
seit es sich nicht mehr schied in Nacht und Helle;
sie waren, wie gewälzt von einer Welle,
zurückgekehrt in ihrer Mutter Schoß.
Sie saßen rundgekrümmt wie Embryos
und aßen nicht, als ob sie Nahrung fänden
aus jener Erde, die sie schwarz umschloß.
Jetzt zeigt man sie den tausend Pilgern, die
aus Stadt und Steppe zu dem Kloster wallen.
Rainer Maria Rilke: Das Stundenbuch. Leipzig: Insel-Verlag. 1918, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Stundenbuch_(Rilke)_068.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)