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Aber mit dem Gevatterbitten wurde es doch zu arg; deswegen paßte man ihr scharf auf den Dienst, und eines schönen Morgens nahmen die Schlupfwächter sie beim Kopfe. Am 8. August bekam sie ihren Lohn: sie wurde am Kaak gestäupt, worauf ihr der Frohn ein Ohr abschnitt, da mit sie sich der Strafe erinnern möge.

Aber das war ihr nicht genug. Eine ächte Putzenmakersche kann nun einmal nicht aus ihrer Schwindelhaut heraus. Sie trieb nach einigen Jahren ihr Gauner-Gewerbe wieder dreister denn zuvor. Da war des Richtherrn Geduld aber zu Ende; Ao. 1541 wurde sie abermals gefaßt, und nun ging’s kurz und bündig: erst am Kaak gestäupt, dann das andere Ohr abgeschnitten, und zuletzt zur Stadt hinaus!


76. Der ewige Jude in Hamburg.
(1547.)

Unter den vielen und großen Vorzügen, die Hamburg vor andern Städten genießt, ist einer von allen Lobrednern unserer Vaterstadt stets übersehen: daß Ahasverus, der ewige Jude, dessen Umherirren im Morgenlande zwar längst bekannt gewesen sein mag, im Abendlande zu allererst in Hamburg aufgerteten ist.

Es war im Winter 1547, als man Sonntags in einer der Hamburgischen Kirchen einen fremden Mann bemerkte, dessen seltsames Aussehen und Benehmen die Andacht der frommen Gemeinde störte. Er schien etwa 50 Jahre alt und war von sehr großer hagerer Gestalt, mit lang auf Schultern und Brust herabwallendem Haupt- und Baarthaare; bekleidet war er, trotz des kalten Winters, nur mit linnenen, an den Füßen zerrissenen Hosen, mit einem Leibrock bis ans Knie,

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_223.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)