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nicht auf das dünne Brett am Graben treten, und geht dann ihrer Wege; als sie wieder kommt, ist Frau Krampen verschwunden, und da man sie aller Orten sucht, findet man endlich ihren Leichnam im Wassergraben, dahinein sie über Kopf gefallen war; die Pantoffeln aber standen fein säuberlich daneben auf dem Lande.

Noch lange Zeit hernach sputeten sich alle Waschweiber, die auf diesen Bleichen hinterm Brook handtirten, daß sie fertig würden mit ihrer Arbeit vor Sonnen-Untergang, denn sodann ward’s daselbst gar nicht geheuer. Und von dem schweren Seufzen und Stöhnen und Pantoffel-Geklapper, so allda zu vernehmen, wußten sie viele schauerliche Geschichten zu erzählen. Eine resolute Frau aber, die noch spät gegen Mitternacht hinüberging, um ein vergessenes Stück Wäsche zu holen, hat mit leibhaftigen Augen gesehen, wie vor ihr am Graben eine lange schwarz gekleidete Frauengestalt mit weißem Regentuch um den Kopf händeringend auf- und abgegangen, dann aufs Waschbrett getreten und im Graben verschwunden ist.

Als ich ein kleiner Junge war, hat mir unsre Waschfrau erzählt, daß es auf den Bleichen hinterm Brook spuken solle; weiter wußte sie nichts davon zu sagen, denn die Geschichten von der Lustfahrt zu dem Schiffe, von dessen schrecklichem Auffliegen, von der armen Jungfer Krampen und ihrer tiefsinnigen Mutter, – die waren längst vergessen und verschollen, wie so vieles in der Welt, Lust und Weh, Freud und Leid. Seitdem sind dort die Bleichplätze verschwunden und jetzt auch die Wassergräben zugedämmt.


94. Die Fastelabend-Fluth.
(1625.)

Es haben sich die Hamburger wohl selten einer so schönen warmen Januar-Witterung zu erfreuen gehabt, als im Jahre

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_278.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)