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Als er nun das uralte große Gebäude mit seinen vielen Kreuzgängen und Hallen durchschritt und nicht wußte, wohin sich wenden in der zunehmenden Dunkelheit, da ist er zufällig etliche Stufen hinabgestiegen und in ein halb unterirdisch Gewölbe gekommen, das lag unterm hohen Chor und hieß die Kluft oder die Krypte; zur katholischen Zeit war auch hier Gottesdienst gehalten, seitdem aber war’s ein Grabgewölbe geworden für vornehme Domherren oder fremde Ritter und Edelleute. Und als der Oberst dort angelangt, wo’s fast nächtig düster ist, da bricht seine gewaltige Heldenkraft zusammen, – kaum daß er seine noch immer bewußtlose Geliebte vorsichtig auf eine steinerne Ruhebank niederlassen kann, da sinkt er zu Boden; mag’s die ungeheure Erhitzung und allgewaltige Anstrengung des langen Rittes im schweren Harnisch gethan haben, oder auch die Gemüthserregung der Sorge, der Hoffnung, der Furcht; genug, als ob ihn der Schlag rühre, so sinkt er todt zu den Füßen seiner ohnmächtig daliegenden Geliebten nieder.

Um Mitternacht mag’s gewesen sein, als sie in diesem schauerlichen Orte von der langen Ohnmacht zum Bewußtsein erwacht; – der Mond schien durch die kleinen Gitter-Fensterchen oben am Kreuzgewölbe in die Gruft. Als sie sich umschaut, nicht fassend, wo sie sei, noch wie sie hergekommen, und rings umher die steinernen Grabmäler gewahrt, und die ausgestreckten Steinbilder der alten Domherren und Ritter mit gefalteten Händen auf der Brust, – und eine schauerliche Stille und Kühle sie, die einzig Lebende unter vielen Todten, anweht, – und als sie nun, mit wachsender Angst ihrer grausigen Lage inne geworden, mit dem Entsetzen einer jähen Ahnung des Schrecklichsten, nach ihrem Geliebten umherblickt, und den Mann ihres Herzens, ihr einziges Eigen auf der Welt, kalt und todt zu ihren Füßen sieht, – da bricht ihr Herz vor der

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_293.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)