Seite:De Beneke Hamburgische Geschichten und Sagen 356.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gebrauch solcher Selbstberäucherung ist begreiflicherweise sehr schädlich.

Auf Ranges-Vorzüge ist das Hamburgische Frauenzimmer so erpicht, daß es wegen „der Vorhand“ in Gesellschaften oft zu den lebhaftesten Erörterungen kommt. Rath und Bürgerschaft würden wohl thun, ein Gesetz zu erlassen, welches, nach Art der von Kaiser Karl V. zu Brüssel bestimmten Ordnung der dortigen Damen, den Vorrang allemal der schönsten und artigsten beilegte. Dieser weise Kaiser erledigte durch diese Sentenz plötzlich alle Differenzen der Damen, denn da sie die Unmöglichkeit einsahen, in dieser Weise jemals zu einer Rang-Ordnung zu kommen, so verzichteten sie überhaupt völlig auf eine solche, womit auch aller Streit aufhörte.

Die hiesigen Frauen sind treue Gattinnen und deshalb kommen Ehescheidungen unerhört selten vor; auch sind sie rechtschaffene sorgsame Mütter, weshalb die neue Mode unter ihnen, den Säugling nicht selbst zu nähren, sondern tugendlose Personen als Ammen zu nehmen, ganz befremdlich erscheint, und sicher nicht lange dauern wird. Sie sind auch vortreffliche Haushälterinnen, sie entziehen sich nicht der eigenen Aufsicht ihres Hauswesens, legen auch in Küche und Keller selbst Hand an, um weswillen sie z. B. bei Bewirthung eines Fremden nicht früher als beim zweiten Gang bei Tische erscheinen, was die Sache etwas zu weit treiben heißt.

Sie sind durchgängig tugendhafte, gute Wesen, ohne Affectation und Unnatur, offenherzig, und wenn auch nicht grade sehr gebildet und geistreich, doch voll natürlichen Verstandes, und jedenfalls fähig, das zu werden, was sie noch nicht sind. Gutmüthig und mitleidig sind sie sehr, auch wohl aufgeräumt, wenn sie gesund sind. Aber leider sind sie dies nicht immer.

Denn es herrscht eine gar seltsame Krankheit unter ihnen, welche entweder ansteckend, oder eine Art Erbübel zu sein

Empfohlene Zitierweise:
Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_356.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)