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scheint, indem sie von einer damit behafteten Mutter gewöhnlich auch auf die Töchter übergeht, sobald diese erwachsen und selbständig werden. Man hält diese Krankheit für eine Art Hysterie, welcher das schöne Geschlecht allein unterworfen ist. Sie äußert sich in einer Reihefolge einzelner Anfälle, die bei Vielen täglich wiederkehren; die schönen Patientinnen werden plötzlich mit einem Schaudern in allen Gliedern und starkem Herzklopfen befallen, die Adern schwellen an, die Augen drängen sich vor und schießen sengende Strahlen wie Blitze; bei Einigen wird das Antlitz aschgrau oder kreideweiß, bei Andern krebsroth, sie befinden sich dabei in solcher Gemüths-Steigerung, daß sie Alles zerreißen könnten, was ihnen naht, Alles zertrümmern, was in ihre Hände kommt. Folge davon ist eine mehr als ordnungsmäßige Erhebung ihrer Stimme, welche, immer gewaltsamer werdend, zuletzt in ein gewisses Kreischen ausartet, womit sie Worte, die man in ihrem schönen Munde gar nicht vermuthen sollte, ausstoßen, bis der zum Gipfelpunkt getriebene Krankheitsanfall, zuweilen mittelst einer wohlthätigen Ohmachts-Krisis, nach und nach wieder abnimmt und einer beruhigenden Erschlaffung Platz macht. Kommt der ganze innerlich veranlaßte Anfall überhaupt gar nicht zum Ausbruch (z. B. durch gewaltsame Hinunterschluckung des gesammelten Feuerstoffes), so kann das Uebel tödtlich werden.

Die armen Männer, deren bessere Hälften mit dieser verzweifelten Krankheit geplagt sind, kann man nur innig bedauern, indem dieselbe aus so verschiedenen und vielfachen Ursachen zum Ausbruch kommt, daß dagegen Vorsorge zu thun unmöglich ist. Wenn sich z. B. eine gute Freundin etwas unbesonnen über sie geäußert, wenn der Gatte gegen andere Damen etwas zu artig sich erwiesen, der Koch eine Schüssel Gemüse verdorben, die Magd ein Stück Porcellan zerbrochen, die Kammerjungfer ein Schönpflästerchen oder eine Locke übel

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_357.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)