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Ja, danken muß ich dem Herrn für all seine Liebe und Geduld, für die wahrhaft väterliche Führung, die er mir zuteil werden ließ. Dank sei ihm auch gesagt für alle die Leiden und Widerwärtigkeiten, die er mir schickte; ich habe ihre heilsamen Wirkungen oft empfunden. Das Hundertfältige, das der Heiland denen verheißt, die das Irdische für ihn verlassen, hat er mir nicht vorenthalten. So reicht die Zeit nicht aus, Gott nach Gebühr zu danken; die ganze Ewigkeit ist nötig, dieser Pflicht zu genügen: »Misericordias Domini in æternum cantabo» (Das Erbarmen des Herrn will ich ewig besingen) Ps. 88,2.

Was mir noch übrig bleibt von meiner Lebenszeit, ist vielleicht nur mehr eine kurze Frist. Schon lassen die Kräfte nach, das Alter macht sich geltend und die Tage nahen, von denen es heißt: »Sie gefallen mir nicht« (Pred. 12,1). Bleibe bei mir, o Herr! Es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt.

Werde ich die Erfüllung der Hoffnungen noch sehen, die mir vor der Seele schweben: eine glückliche Ordnung der politischen Verhältnisse unseres Landes, das Blühen des katholischen Vereinslebens und damit eine Neubelebung des christlichen Sinnes in Stadt und Land, der Neubau des bischöflichen Gymnasiums zu Bitsch, die Erweiterung der Choranlage in unserer Kathedrale? Wie Gott will! Ihm gehören die noch übrigen Tage meines Lebens; mögen sie ganz treuer Pflichterfüllung geweiht sein.

Der Herr, der mich so liebevoll geführt hat, wolle auch fernerhin seine Hand von mir nicht zurückziehen. Mit dem Psalmisten bete ich zu ihm: »Verwirf mich nicht zur Zeit des Alters; wenn meine Kraft hingeschwunden, verlaß mich nicht ... O Gott! Du hast mich unterwiesen von meiner Jugend an, und bis jetzt verkündige ich deine Wunder. Doch auch bis ins Alter und ins Greisentum verlaß mich nicht, o Gott« (Ps. 70, 9; 17 f.). Wie ich einst in der Stunde der heiligen Profeß freudig bewegt gesungen habe: »Suscipe me, Domine«, so will ich auch fort und fort flehen: «Nimm mich auf, o Herr, nach deinem Worte und ich werde leben; laß meine Hoffnung nicht zu Schanden werden« (Ps. 118, 116). Amen. Es geschehe!

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_132.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)