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viderunt, nisi solum Jesum« (Als sie ihre Augen erhoben, sahen sie niemanden als Jesus allein): Es ist ein großer Schmerz für die Heiligen, vom Tabor der Betrachtung und der Beschauung herabzusteigen; aber wenn wir unter der Führung Jesu zu den gewöhnlichen Beschäftigungen zurückkehren, so werden wir in ihnen Gott mehr lieben, wir werden treuer unsere Pflichten erfüllen. »Nemini dixeritis« (Saget es niemanden): Niemanden sollen wir offenbaren, was Gott an uns tut, nur unserem Seelenführer sollen wir es mitteilen in Einfalt und Wahrheit; einstens am Tage des Gerichtes wird Gott es der ganzen Welt kundtun. Wohl uns, wenn wir seine Gnaden treu benützt, wehe uns, wenn wir sie mißbraucht haben!«

Allerdings, Taborstunden sind selten; doch ein Schimmer des Lichtes und des Glückes jenes heiligen Berges liegt über jeder mit demütigem und frommem Sinne angestellten Betrachtung. So ist mir die einfache, ungezwungene Erwägung der Wahrheiten unseres heiligen Glaubens, dieser Lebens- und Liebesverkehr mit Gott, immer lieber und vertrauter geworden; ich habe reichen Nutzen daraus geschöpft, und wenn einmal die Verhältnisse die Betrachtung unmöglich machten, so empfand ich es stets als einen empfindlichen Mangel.

Die Zeit des Postulates eilte dahin. Nach mehr als sieben Monaten sollte ich ins Noviziat aufgenommen werden. Allein am Vorabende der Einkleidung stellte sich bei mir starkes Blutbrechen ein, so daß die Zeremonie aufgeschoben werden mußte. Die Ungewißheit, in der ich mich nun befand, machte auf mich nicht den geringsten Eindruck. Ich war meines Berufes so sicher, daß ich an der Fortsetzung des begonnenen Lebens ganz und gar nicht zweifelte. Ich wartete in aller Ruhe das Weitere ab, und da der Anfall sich nicht wiederholte, so konnte die Aufnahme ins Noviziat am 1. Juli stattfinden. Mit mir wurde ein belgischer Postulant als Novize eingekleidet, Fr. Robert de Kerchove, der nachmalige Abt des Klosters Regina Cœli in Löwen[1]. Zum monastischen Namenspatron


  1. Nunmehr Präses der 1920 infolge Lostrennung von der Beuroner Kongregation gebildeten belgischen Kongregation.
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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_31.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)