Seite:De Benzler Leben 66.jpg

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zeigt den offenen Dachstuhl und trägt vorn auf der Spitze eine in Bronze gegossene, klassisch schöne Engelsfigur, hinten ein offenes Glockentürmchen.

Außen zieht sich unter dem Dachgesimse ein Fries von Freskobildern hin, St. Benedikt mit seinen beiden Lieblingsschülern, den heiligen Maurus und Placidus, darstellend. Sie gehören zu dem Besten, was die Kunstschule geleistet hat; man wird nicht müde, diese Gestalten von Anmut, diese Szenen voll Leben zu betrachten.

Auf breiter Doppeltreppe steigt man zur lichten Vorhalle empor, aus der uns das hoheitsvolle Bild der Madonna mit dem königlichen Gotteskinde entgegenleuchtet. Welche Majestät und Güte zugleich! Welch zarte, klassisch schöne Linienführung! Es scheint undenk­bar, daß ein aufmerksamer Beschauer von solcher, fast überirdischer Schönheit nicht ergriffen werde.

Im Innern umfängt uns sogleich weihevolle Stimmung: aus der weiten Wandfläche tritt uns die große Opferszene auf Kalvaria in wunderbarer Erhabenheit entgegen. Der weißschimmernde, jungfräuliche Leib des Herrn ist von hoher Schönheit. Wir schauen aber nicht den Mann der Schmerzen, sondern den in majestätischer Ruhe über Sünde und Tod triumphierenden Erlöser. Nur das gesenkte, dornengekrönte Haupt und der breite, aus der Seitenwunde fließende Blutstrom weisen hin auf den schmerzvollen Opfertod. Unter dem Kreuze stehen Maria und Johannes, in Leid versunken. Das Antlitz der Gottesmutter ist überaus schön; es trägt den Ausdruck eines zurückgehaltenen, die Tiefen der Seele erfassenden Schmerzes. St. Joseph, St. Johannes der Täufer, die heiligen Katharina und Cäcilia laden den Beschauer ein, die Liebe zu bewundern, die sich für uns dahingibt. Über das Ganze ist der Zauber einer wunderbaren Farbenharmonie ausgegossen, die die Schönheit der Komposition vollkommen zur Geltung kommen läßt. Mächtig ist die Wirkung des Bildes; der Besucher steht wie gebannt vor ihm; schweigend verläßt er das Heiligtum. Draußen umfängt ihn die hehre Waldeinsamkeit; hoch oben auf steilem Felsen grüßt die alte Burg Wildenstein.

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_66.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)