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Ansprache; Kardinal Rampolla, dem sie darauf ihren Besuch abstatteten, feierte in begeisterter Rede die Verdienste des Benediktinerordens.

Während der Wochen, die ich so in der ewigen Stadt zuzubringen das Glück hatte, konnte ich mit meinem ortskundigen Begleiter die Herrlichkeiten des antiken und des christlichen Roms mit Muße genießen. Die großen Basiliken und so viele andere ehrwürdige und interessante Gotteshäuser wurden eingehend und auch wiederholt besichtigt. Desgleichen das Forum, der Palatin, das Kolosseum, die Katakomben. Wie wohltuend und erfrischend diese Besuche wirken, wie sehr sie der Frömmigkeit Nahrung geben, das weiß jeder, der sie einmal machen durfte.

Wir waren im Jubeljahre. In St. Peter durchschritten wir die »Heilige Pforte«, die Leo XIII. geöffnet hatte und die er auch schließen sollte, und bemühten uns, den ausgeschriebenen Jubelablaß zu gewinnen. Das Jubeljahr brachte natürlich viele Pilgerzüge nach Rom. Wir wohnten dem Empfange eines solchen – er kam aus der Sabina – in St. Peter an. Es mochten an die zehntausend Pilger gewesen sein. Wir hatten unseren Platz nahe dem Altare der Confessio. Als der Papst durch die Sakramentskapelle in die Basilika einzog, erhob sich machtvoll der Jubelruf: Evviva il Papa Re! Hoch auf der Sedia gestatoria schwebte die weiße Gestalt Leos XIII. nach allen Seiten den Segen spendend. Die Jubelrufe pflanzten sich fort, dem Brausen des Meeres gleich, und begleiteten den Papst bis zum Altare. Während des Gesanges der Litanei lag der hohepriesterliche Greis auf den Knien. Ich kann nicht sagen, daß diese lauten Kundgebungen mein Empfinden irgendwie verletzt hätten, im Gegenteil, man fühlte, daß sie aus der Tiefe echt katholischer Gesinnung kamen; darum drang der Jubel in die Seele und erfaßte sie mit unwiderstehlicher Gewalt. Es war, als ob diese Stimmen uns zuriefen: Welch ein Glück ist es, katholisch zu sein und den Statthalter Christi zum Vater zu haben!

Reich an großen Eindrücken und Lebenserfahrungen kehrte ich von der weiten Reise in die nordische Heimat zurück, wo bald wichtige Ereignisse an mich herantreten sollten.

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_90.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)