Seite:De Darwin Insectenfressende Pflanzen 255.jpg

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so dasz es einen Halbcylinder bildete; aber in keinem meiner wenigen Versuche wurde die Spitze des Blattes eingebogen. Die obige Dose des salpetersauren Salzes (nämlich 1/320 Gran, oder 0,202 Milligr.) war zu stark, denn im Verlaufe von 23 Stunden starb das Blatt ab.

Drosera filiformis. – Diese nordamericanische Species wächst in Theilen von Neu-Jersey in solchen Massen, dasz sie beinahe den Boden bedeckt. Sie fängt, der Angabe der Mrs. Treat zufolge[1], eine auszerordentliche Anzahl kleiner und groszer Insecten, – selbst grosze Fliegen aus der Gattung Asilus, Nacht- und Tagschmetterlinge. Das mir von Dr. Hooker geschickte Exemplar, welches ich untersuchte, hatte fadenähnliche Blätter, von 6 bis 12 Zoll Länge, mit der oberen Fläche convex und der unteren flach und unbedeutend canellirt. Die ganze convexe Oberfläche bis hinab zu den Wurzeln, – denn es ist kein deutlicher Stiel vorhanden, – ist mit kurzen drüsentragenden Tentakeln bedeckt, wobei die an den Rändern die längsten und zurückgebogen sind. Stückchen Fleisch auf die Drüsen einiger Tentakeln gelegt, bewirkten in 20 Minuten eine unbedeutende Einbiegung derselben; die Pflanze war aber in keinem recht lebenskräftigen Zustande. Nach 6 Stunden bewegten sie sich durch einen Winkel von 90° und erreichten in 24 Stunden die Mitte. In dieser Zeit fiengen die umgebenden Tentakeln an, sich einwärts zu krümmen. Endlich wurde ein groszer Tropfen äuszerst klebriger, leicht saurer Absonderung aus den vereinigten Drüsen über das Fleisch ergossen. Mehrere andere Drüsen wurden mit ein wenig Speichel berührt und die Tentakeln wurden in weniger als 1 Stunde einwärts gebogen und streckten sich nach 18 Stunden wieder aus. Stückchen von Glas, Kork, Kohlen, Garn und Goldblättchen wurden an zwei Blättern auf zahlreiche Drüsen gelegt; in ungefähr 1 Stunde wurden vier Tentakeln gekrümmt und vier andere nach Verlauf von weiteren 2 Stunden 30 Minuten. Es gelang mir nicht ein einziges mal, irgend eine Bewegung durch wiederholtes Berühren der Drüsen mit einer Nadel zu veranlassen, und Mrs. Treat machte um meinetwillen ähnliche Versuche ohne Erfolg. Kleine Fliegen wurden auf mehrere Blätter in die Nähe ihrer Spitzen gelegt, aber die fadenähnliche Scheibe wurde nur bei einer Gelegenheit sehr unbedeutend direct unterhalb des Insects gebogen. Vielleicht deutet dies an, dasz die Scheiben lebenskräftiger Pflanzen sich über gefangene Insecten einbiegen, und Dr. Canby theilt mir mit, dasz dies der Fall ist; die Bewegung kann aber nicht stark ausgesprochen sein, da sie von Mrs. Treat nicht beobachtet wurde.

Drosera binata (oder dichotoma). – Ich bin der Lady Dorothy Nevill für eine schöne Pflanze dieser beinahe gigantischen Species aus Australien sehr verbunden, welche in einigen interessanten Punkten von den bis jetzt beschriebenen abweicht. An diesem Exemplar waren die binsenartigen Stiele der Blätter 20 Zoll lang. Die Blattscheibe theilt sich gabelförmig an ihrer Verbindung mit dem Stiel, und später noch zwei oder dreimal, sich dabei in einer unregelmäszigen Art und Weise umherwindend. Sie ist schmal, nur 3/20 Zoll in der Breite messend. Die eine Scheibe war 7 1/2 Zoll lang, so dasz das ganze Blatt mit Einschlusz

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_255.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)

  1. The American Naturalist, December 1873, p. 705.