Seite:De Darwin Insectenfressende Pflanzen 334.jpg

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mir einige Pflanzen mit sechszehn Samen oder Früchten an vierzehn Blättern hängend. Es fand sich dabei ein Same auf drei Blättern einer und derselben Pflanze. Die sechszehn Samen gehörten zu neun verschiedenen Arten, welche nicht bestimmt werden konnten, ausgenommen einer von Ranunculus und mehrere zu drei oder vier verschiedenen Species von Carex gehörig. Es zeigt sich, dasz spät im Jahre weniger Insecten gefangen werden als früher; so wurden in Cumberland in der Mitte des Juli auf mehren Blättern von zwanzig bis vierundzwanzig Insecten beobachtet, während im September die mittlere Anzahl nur 2,27 betrug. Die meisten Insecten in sämmtlichen vorstehend erwähnten Fällen waren Diptem, daneben aber viele sehr kleine Hymenoptern, mit Einschlusz einiger Ameisen, einige wenige kleine Käfer, Larven, Spinnen, und selbst kleine Motten.

Wir sehen hieraus, dasz zahlreiche Insecten und andere Gegenstände von den klebrigen Blättern gefangen werden; wir haben aber kein Recht, aus dieser Thatsache zu schlieszen, dasz diese Gewohnheit wohlthätig für die Pflanze ist, ebensowenig wie in dem früher angeführten Falle bei der Mirabilis oder bei der Roszkastanie. Wir werden aber sofort sehen, dasz todte Insecten und andere stickstoffhaltige Körper die Drüsen zu vermehrter Absonderung anregen, und dasz das Secret dann sauer wird und die Fähigkeit hat, animale Substanzen, wie Eiweisz, Faserstoff u. s. w. zu verdauen. Überdies wird die aufgelöste stickstoffhaltige Substanz von den Drüsen aufgesaugt, was sich darin zeigt, dasz ihr klarer Zelleninhalt zu sich langsam bewegenden körnigen Protoplasma-Massen zusammengeballt wird. Dieselben Resultate erfolgen, wenn die Insecten auf natürlichem Wege gefangen werden, und da die Pflanze in armem Boden lebt und kleine Wurzeln hat, so kann darüber kein Zweifel sein, dasz sie von ihrer Fähigkeit, Substanz aus der gewohnheitsgemäsz in so groszen Zahlen gefangenen Beute zu absorbiren und zu verdauen, Vortheil zieht. Es dürfte indessen zweckmäszig sein, zuerst die Bewegungen der Blätter zu beschreiben.

Bewegungen der Blätter. – Dasz solche dicke, grosze Blätter wie die der Pinguicula vulgaris die Fähigkeit haben würden, sich einwärts zu krümmen, wenn sie gereizt werden, ist niemals auch nur vermuthet worden. Es ist nothwendig, zum Versuch Blätter auszuwählen, deren Drüsen reichlich absondern und welche verhindert worden sind, viele Insecten zu fangen, da alte Blätter, wenigstens diejenigen, die im Naturzustande wachsen, ihre Ränder bereits so bedeutend einwärts gekrümmt haben, dasz sie wenig Bewegungsvermögen darbieten oder sich sehr langsam bewegen. Ich will zuerst die wichtigeren

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_334.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)