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Gitter des Volksgartens stellen sich Neugierige auf. Sie können zwar nichts sehen; sie bleiben jedoch dort. Sie wollen es so ...

Hofrath Kozarek erscheint...

Es fliegen die Hüte von den Häuptern vor dem Leichenwagen mit den blendenden Schimmeln in ihren goldstarrenden Schabraken...

Die hellen Klingen gleiten um Haaresbreite an den Gesichtern der Zuschauer hinter ihnen vorüber...

Besondere Zustimmung aber fand er, als er einmal Gelegenheit nahm, sich über die „schwerflüssigen Sprachwerkzeuge des Herrn Kutschera“ auszulassen.

Die syntaktischen Reformen, die er in unser Schriftthum einführte, haben den Mann populär gemacht. Aber auch inhaltlich hat er, durch Meinung und Tonart seiner Aufsätze, jederzeit im Sinne einer Volksaufheiterung gewirkt. Einer grossen Zugkraft erfreuten sich die köstlichen Wahnvorstellungen, die er zu produciren pflegte, die grotesken Ueberhebungen, zu denen sich der „gemüthliche Wiener Biz“ verstieg. Keine bedeutungsvolle Entdeckung, die ohne seine Mithilfe gemacht worden wäre, keine künstlerische Persönlichkeit, die nicht von ihm die erste Anregung empfangen hätte; Alles verdankt ihm seine Entstehung, alle hat er „gemacht“. Mascagni’s Grösse hatte er gleich erkannt: „... Ich trug das Meine bei, um ihm zu helfen mit gefälligen Reclamen ... So nützte ich ihm gerne, wie gesagt: ich nützte immer Anderen gerne; auch heute noch.“ Länger dauerte es, bis ein deutscher Dramatiker ihn für sich gewann. „Endlich“ – ruft er aus – „ist es Hermann Sudermann gelungen, mich vollständig zu überzeugen!“

Wo der Schriftsteller, sei es durch Undeutsch oder Grössenwahn, das ganze Interesse der Oeffentlichkeit absorbirt, bleibt für den Maler nichts mehr übrig. Nun könnte gerade er dem Stillleben zu bedeutendem Aufschwung verhelfen und namentlich als Stylblütenmaler Hervorragendes leisten. Dem Porträtisten begegnet man schon lange mit Misstrauen, welches ihn derart empfindlich gemacht hat, dass er aus einem Vereine, dessen Obmann er gemalt, tief gekränkt seinen Austritt nahm. Zuletzt haben sich nur mehr Verstorbene von ihm zeichnen lassen. Kein Tadel kann ihn in solchen Fällen treffen: hat er doch hier die Entschuldigung der vom Tode entstellten Züge für sich.

Probleme sind es, des Schweisses der Edeln werth, welche eine benachbarte

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Karl Kraus: Die demolirte Literatur. Wien: A. Bauer, 1899, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_demolirte_Literatur_Kraus_41.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)