Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 092.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


durchaus nicht nachtheiliger Art seye, weil sie dann das Erlöschen der Spezies zur Folge haben müsste.

     Natürliche Züchtung kann auch die Struktur des Jungen in Bezug zum Alten und die des Vaters derjenigen seiner Kinder gegenüber modifiziren. Bei Hausthieren passt sie die Struktur eines jeden Einzelwesens den Zwecken der Gemeinde an, vorausgesetzt, dass auch ein jedes Einzelne bei dem so bewirkten Wechsel gewinne. Was die natürliche Züchtung nicht bewirken kann, das ist: Umänderung der Struktur einer Spezies, ohne Ersatz, zu Gunsten einer anderen Spezies; und obwohl in naturhistorischen Werken Beispiele dafür angeführt werden, so ist doch keines darunter, das eine Prüfung aushielte. Selbst ein organisches Gebilde, das nur einmal im Leben eines Thieres gebraucht wird, kann, wenn es ihm von grosser Wichtigkeit ist, durch die Natürliche Zuchtwahl bis zu jedem Betrage modifizirt werden, wie die grossen Kinnladen einiger Insekten, welche nur zum Öffnen ihrer Coccons dienen, oder das zarte Spitzchen auf dem Ende des Schnabels junger Vögel, womit sie beim Ausschlüpfen die Ei-Schaale aufbrechen. Man hat versichert, dass von den besten kurzschnäbeligen Purzel-Tauben mehr im Eie zu Grunde gehen, als auszuschlüpfen im Stande sind, was Liebhaber mitunter veranlasst, bei Durchbrechung der Schaale mitzuwirken. Wenn demnach die Natur den Schnabel einer Taube zu deren eignem Nutzen im ausgewachsenen Zustande sehr zu verkürzen hätte, so würde dieser Prozess sehr langsam vor sich gehen, und müsste dabei zugleich eine sehr strenge Auswahl derjenigen jungen Vögeln im Eie stattfinden, welche den stärksten und härtesten Schnabel besitzen, weil alle mit weichem Schnabel unvermeidlich zu Grunde gehen würden; oder aber es müsste eine Auswahl der dünnsten und zerbrechlichsten Ei-Schaalen erfolgen, deren Dicke bekanntlich so wie jedes andre Gebilde variirt.

     Sexuelle Zuchtwahl. Wie im Kultur-Zustande Eigenthümlichkeiten oft an einem Geschlechte zum Vorschein kommen und sich erblich an dieses Geschlecht heften, so wird es wohl auch im Natur-Zustande geschehen, und, wenn Diess der Fall, so muss

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_092.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)