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kreutzt, so tritt in den Blendlingen eine starke Neigung hervor, die ursprüngliche schieferblaue Farbe mit den schwarzen und weissen Binden und Streifen wieder anzunehmen. Ich habe behauptet, die wahrscheinlichste Hypothese zur Erklärung des Wiedererscheinens sehr alter Charaktere seye die Annahme einer »Tendenz« in den Jungen einer jeden neuen Generation den längst verlorenen Charakter wieder hervorzuholen, welche Tendenz in Folge unbekannter Ursachen zuweilen zum Durchbruch komme. Dann haben wir gesehen, dass in verschiedenen Arten des Pferde-Geschlechts die Streifen bei den Jungen deutlicher oder gewöhnlicher als bei den Alten sind. Wollte man nun die Tauben-Rassen, deren einige schon Jahrhunderte lang durch reine Inzucht fortgepflanzt worden, als Spezies bezeichnen, so wäre die Erscheinung genau dieselbe, wie bei der Pferde-Sippe. Über Tausende und Tausende von Generationen rückwärts schauend erkenne ich mit Zuversicht ein wie ein Zebra gestreiftes, aber sonst vielleicht sehr abweichend davon gebautes Thier als den gemeinsamen Stamm-Vater des (rühre es nun von einem oder von mehren wilden Stämmen her) Hauspferdes, des Esels, des Hemionus, des Quaggas und des Zebras.

     Wer an die unabhängige Erschaffung der einzelnen Pferde-Spezies glaubt, wird vermuthlich sagen, dass einer jeden Art die Neigung im freien wie im gezähmten Zustande auf so eigenthümliche Weise zu variiren anerschaffen worden seye, derzufolge sie oft wie andre Arten derselben Sippe gestreift erscheine; und dass einer jeden derselben eine starke Neigung anerschaffen seye bei einer Kreutzung mit Arten aus den entferntesten Weltgegenden Bastarde zu liefern, welche in der Streifung nicht ihren eignen Ältern, sondern andern Arten derselben Sippe gleichen[1]. Sich zu dieser Ansicht bekennen heisst nach meiner

  1. Nach der Agassiz’schen Lehre von den embryonischen Charakteren würde man diese Streifung, wie die weissen Flecken in der Hirsch-Sippe, als einen embryonischen Charakter ansehen und sagen, dass Zebra, Quagga etc. dem Pferde gegenüber auf tieferer Stufe zurückgeblieben seyen und embryonische Charaktere behalten haben, wie der Damhirsch gegenüber dem Edelhirsch.     D. Übrs.
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_177.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)