Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 208.jpg

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müssen wir vorsichtig seyn mit dieser Deutung, da ja auch die Kopfhaut des ganz säuberlich fressenden Wälschhahns nackt ist. Die Nähte an den Schädeln junger Säugthiere sind als eine schöne Anpassung zur Erleichterung der Geburt dargestellt worden, und ohne Zweifel begünstigen sie dieselbe oder sind sogar unentbehrlich; da aber auch solche Nähte an den Schädeln junger Vögel und Reptilien vorkommen, welche nur aus einem zerbrochenen Eie zu schlüpfen nöthig haben, so dürfen wir schliessen, dass diese Bildungs-Weise von den Wachsthums-Gesetzen herrühre und den höheren Wirbelthieren dann nur gelegentlich auf jene Weise nütze.

     Wir wissen ganz und gar nichts über die Ursachen, welche die kleinen Abänderungen veranlassen, und fühlen Diess am meisten, wenn wir über die Verschiedenheiten unsrer Hausthier-Rassen in andern Gegenden und zumal bei minder zivilisirten Völkern nachdenken, welche sich nicht mit planmässiger Züchtung befassen. Sorgfältige Beobachter sind der Überzeugung, dass ein feuchtes Klima den Haarwuchs befördre und dass Horn mit Haar in gleicher Beziehung stehe. Gebirgs-Rassen sind überall von Niederungs-Rassen verschieden, und Gebirgs-Gegenden werden wahrscheinlich auf die Hinterbeine und allenfalls auf das Becken wirken, sofern diese daselbst mehr in Anspruch genommen werden; nach dem Gesetze homologer Variation werden dann auch die vordren Gliedmaassen und wahrscheinlich der Kopf mit betroffen werden. Auch dürfte die Form des Beckens der Mutter durch Druck auf die Kopf-Form des Jungen in ihrem Leibe wirken. Wahrscheinlich vermehrt auch die schwierigere Athmung in hohen Gebirgen die Weite des Brustkastens, und Diess nicht ohne Einfluss auf noch andre Theile. In verschiedenen Gegenden haben auch die von Wilden gehaltenen Hausthiere um ihr eignes Daseyn zu kämpfen und mögen daher bis zu gewissem Grade noch Natürlicher Züchtung unterliegen. Daher denn Individuen mit abweichender Konstitution in andern Klimaten besser fortkommen werden; nun dürften aber Konstitution und Färbung in Wechselbeziehung mit einander stehen. Ein guter Beobachter versichert, dass der Grad, in welchem das Rind

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_208.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)