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viele verwandte Formen entwickeln, so werden auch viele diesen ihre Plätze überlassen müssen, und es werden gewöhnlich verwandte Arten seyn, die in Folge eines gemeinschaftlich ererbten Nachtheils den andern gegenüber unterliegen. Mögen jedoch die unterliegenden Arten zu einer oder zu verschiedenen Klassen gehören, so kann doch öfter einer oder der andre von ihnen in Folge einer Befähigung zu einer etwas abweichenderen Lebensweise, oder seines abgelegenen Wohnortes wegen, eine minder strenge Mitbewerbung zu befahren haben und sich so noch längre Zeit erhalten. So überlebt z. B. nur noch eine einzige Trigonia in dem Australischen Meere die in der Sekundär-Zeit zahlreich gewesenen Arten dieser Sippe, und eine geringe Zahl von Arten der einst reichen Gruppe der Ganoiden-Fische kommt noch in unsren Süsswassern vor. Und so ist dann das gänzliche Erlöschen einer Gruppe gewöhnlich ein langsamerer Vorgang als ihre Entwicklung.

     Was das anscheinend plötzliche Aussterben ganzer Familien und Ordnungen betrifft, wie das der Trilobiten am Ende der paläolithischen und der Ammoniten am Ende der mesolithischen Zeit-Periode, so müssen wir uns zunächst dessen erinnern, was schon oben über die sehr langen Zwischenräume zwischen unsren verschiedenen Formationen gesagt worden ist, während welcher viele Formen langsam erloschen seyn können. Wenn ferner durch plötzliche Einwanderung oder ungewöhnlich rasche Entwickelung viele Arten einer neuen Gruppe von einem neuen Gebiete Besitz nehmen, so können sie auch in entsprechend rascher Weise viele der alten Bewohner verdrängen; und die Formen, welche ihnen ihre Stelle überlassen, werden gewöhnlich mit einander verwandte Theilnehmer an irgend einem ihnen gemeinsamen Nachtheile der Organisation seyn.

     So scheint mir die Weise, wie einzelne Arten und ganze Arten-Gruppen erlöschen, gut mit der Theorie der Natürlichen Züchtung übereinzustimmen. Das Erlöschen kann uns nicht wunder-nehmen; was uns eher wundern müsste, ist vielmehr unsre einen Augenblick lang genährte Anmassung, die vielen verwickelten Bedingungen zu begreifen, von welchen das

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_327.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)