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festen Glauben an die Unveränderlichkeit der Arten wankend gemacht zu haben. Wohl bekannt mit der Vertheilungs-Weise der jetzt lebenden Arten über die Erd-Oberfläche, wagt er doch nicht eine Erklärung über die grosse Ähnlichkeit verschiedener Spezies in nahe aufeinander-folgenden Formationen aus der Annahme herzuleiten, dass die physikalischen Bedingungen der alten Länder-Gebiete sich fast gleich geblieben seyen. Erinnern wir uns, dass die Lebenformen wenigstens des Meeres auf der ganzen Erde und mithin unter den aller-verschiedensten Klimaten u. a. Bedingungen fast gleichzeitig gewechselt haben; — und bedenken wir, welchen unbedeutenden Einfluss die wunderbarsten klimatischen Veränderungen während der die ganze Eis-Zeit umschliessenden Pleistocän-Periode auf die spezifischen Formen der Meeres-Bewohner ausgeübt haben!

     Nach der Theorie der gemeinsamen Abstammung ist die volle Bedeutung der Thatsache klar, dass fossile Reste aus unmittelbar aufeinander-folgenden Formationen, wenn auch als Arten verschieden, nahe mit einander verwandt sind. Da die Ablagerung jeder Formation oft unterbrochen worden ist und lange Pausen zwischen der Absetzung verschiedener Formationen stattgefunden haben, so dürfen wir, wie ich im letzten Kapitel zu zeigen versucht, nicht erwarten in irgend einer oder zwei Formationen alle Zwischenvarietäten zwischen den Arten zu finden, welche am Anfang und am Ende dieser Formationen gelebt haben; wohl aber müssten wir nach mehr oder weniger grossen Zwischenräumen (sehr lang, in Jahren ausgedrückt, aber mässig lang in geologischem Sinne) nahe verwandte Formen oder, wie manche Schriftsteller sie genannt haben, »stellvertretende Arten« finden, und diese finden wir in der That. Kurz wir entdecken diejenigen Beweise einer langsamen und fast unmerkbaren Umänderung spezifischer Formen, wie wir sie zu erwarten berechtigt sind.

     Über die Entwickelungs-Stufe alter gegenüber den noch lebenden Formen.) Wir haben im vierten Kapitel gesehen, dass der Grad der Differenzirung und Spezialisirung der Theile aller organischen Wesen in ihrem reifen Alter den besten bis jetzt versuchten Maassstab[WS 1] zur Bemessung der


  1. Im Original Maasstab
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_341.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)