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so ist nichts unveränderlich in Verbreitungs-Gesetzen früherer und jetziger Zeit.

     Vielleicht fragt man mich im Spott, ob ich glaube, dass das Megatherium und die andern ihm verwandten Ungethüme in Süd-Amerika das Faulthier, das Armadil und die Ameisenfresser als abgeänderte Nachkommen hinterlassen haben. Diess kann man keinen Augenblick zugeben. Jene grossen Thiere sind völlig erloschen, ohne eine Nachkommenschaft zu hinterlassen. Aber in den Höhlen Brasiliens sind viele ausgestorbene Arten, in Grösse u. a. Merkmalen nahe verwandt mit den noch jetzt in Süd-Amerika lebenden Spezies, und einige der fossilen mögen wirklich die Erzeuger noch jetzt dort lebender Arten seyn. Man darf nicht vergessen, dass nach meiner Theorie alle Arten einer Sippe von einer und der nämlichen Spezies abstammen, so dass, wenn von sechs Sippen jede acht Arten in einerlei geologischer Formation enthält und in der nächst-folgenden Formation wieder sechs andre verwandte oder stellvertretende Sippen mit gleicher Arten-Zahl vorkommen, wir dann schliessen dürfen, dass nur eine Art von jeder der sechs älteren Sippen modifizirte Nachkommen hinterlassen habe, welche die sechs neueren Sippen bildeten. Die andren sieben Arien der alten Genera sind alle ausgestorben, ohne Erben zu hinterlassen. Doch möchte es wohl weit öfter vorkommen, dass zwei oder drei Arten von nur zwei oder drei der alten Sippen die Ältern der sechs neuen Genera gewesen und die andern alten Arten und sämmtliche übrigen alten Sippen gänzlich erloschen sind. In untergehenden Ordnungen mit abnehmender Sippen- und Arten-Zahl, wie es offenbar die Edentaten Süd-Amerika’s sind, werden weniger Genera und Spezies abgeänderte Nachkommen in gerader Linie hinterlassen.

     Zusammenstellung des vorigen und jetzigen Kapitels.) Ich habe zu zeigen gesucht, dass die geologische Schöpfungs-Urkunde äusserst unvollkommen ist; dass erst nur ein kleiner Theil der Erd-Oberfläche sorgfältig untersucht worden ist; dass nur gewisse Klassen organischer Wesen zahlreich in fossilem Zustande erhalten sind; dass die Anzahl der in unsren Museen aufbewahrten Individuen und Arten gar nichts bedeutet

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_348.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)