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Kurfürsten Friedrich von der Pfalz[1]. Wenn er, wie wir annehmen dürfen, Lionardo Brunis Lobspruch auf Florenz kannte, so hat er den Titel mit Bedacht gewählt. Denn „Etwas anderes,“ sagt Bruni, „ist es um die Geschichte, etwas anderes um eine Lobrede. Die Geschichte muß der Wahrheit folgen, die Lobrede darf vieles über die Wahrheit erheben.“ Davon hat Luder reichlichen Gebrauch gemacht, aber es gibt auch historisch Beachtenswertes in dem Werkchen. Nicht so sehr der fabelhafte Wittelsbacherstammbaum, der den ersten Teil füllt. Luder hat ihn aus einer nächstliegenden Quelle zusammengerafft, vielleicht aus einer Vorlage, die nicht lange vor ihm auch Andreas von Regensburg benutzte, aber es liegt ihm offenbar weniger an der Herleitung der Wittelsbacher von den Karolingern, als dem Regensburger Mönche. Auch die Beschreibung von Heidelberg, die Luder an den Anfang stellt, ist zwar interessant als Zeichen des neuen Stils der Geschichtschreibung, aber nicht eigenartig. Aber daß Luder wenigstens zum Hofhistoriographen Talent hatte, zeigt der zweite Teil. Unter den bürgerlichen und geistlichen Chronisten hätte der Pfalzgraf wohl kaum einen gefunden, der die so viel angefochtene „Arrogation“, durch die Friedrich aus dem Vormund seines Neffen zum Herrscher wurde, so geschickt als eine Tat rein landesväterlicher Fürsorge, die daraus folgenden Kämpfe mit den Nachbarn dann als Proben der „Tapferkeit, die sich des Neides erwehren muß“, hingestellt hätte. Es war gut auf den Charakter des „bösen Fritz“ berechnet, wenn Luder seinen Worten über die „väterliche Gesinnung“, die Friedrich bei der Arrogation gezeigt hatte, hinzufügte: „wenn es aus Herrschbegierde geschehen wäre, hätte auch diese einem hochgesinnten Mann angestanden“, und wenn wir eine Stelle, in der der Kurfürst „der höchsten Herrschaft würdig“ genannt wird, nach einem tieferen Sinn verstehen dürfen, so hat Luder wohl auch auf die Hoffnungen anspielen wollen, die sich sein Herr vor kaum mehr als Jahresfrist auf die Krone eines römischen Königs gemacht hatte. Ob Luder sich aus diesem Grunde später nicht nur „Sekretär des glorreichsten Pfalzgrafen Friedrich“, sondern auch „Schildträger des römischen Reichs“ nannte?

Die Geschichte Friedrichs des Siegreichen, zu der also hier ein Anlauf vorliegt, hat dann Luders Freund und Schüler Matthias von Kemnat und zwar in deutscher Sprache geschrieben.[2] Die humanistische Saat ist bei ihm ziemlich in die Halme geschossen. Er ist auch „poeta et historiographus“ wie sein Lehrer und begleitet mit einem Chor dichtender Genossen, unter denen wir den

  1. [229] 5) Gedruckt von Wattenbach l. c. XXIII, 21 ff.
  2. [229] 6) Teilweise gedruckt von K. Hofmann i. d. Qn. u. Erört. z. bayr. u. dtsch. Gesch. II. Unvollständige Quellenuntersuchung von Hartfelder i. d. FDG. XXII, 329 ff. Zusammenstellung sonst bekannter Entlehnungen in meiner Arbeit über Meisterlin 168 ff.