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Aber der Humanismus ist bei ihm nur Einschlag, seine Persönlichkeit ruht im Mönchtum und zwar in dem der Bursfelder Kongregation. Für sie hat er als Abt von Sponheim und dann von St. Jakob in Würzburg eine unermüdliche Tätigkeit entfaltet.

Diese beiden Wirkungskreise bezeichnen zugleich zwei scharf geschiedene Perioden seines Lebens. Dazwischen liegt seine Vertreibung aus Sponheim durch die unbotmäßigen Mönche und einen ihm feindlichen Fürsten, ein Schlag, den Trithemius nie ganz verwunden hat, und sein dadurch veranlaßter Aufenthalt in Köln, Berlin und Heidelberg, wo er zum erstenmal auf längere Zeit aus den Mönchskreisen heraus und in die große Welt tritt. In jeder dieser Perioden finden wir eine Zeit besonders gesteigerter literarischer Produktion. Einmal die Jahre 1491/94, hier entstehen die großen Lexika, der Liber de scriptoribus ecclesiasticis, das Werk De origine, progressu et laudibus ordinis Carmelitarum, der Liber de viris illustribus ordinis Benedictini; sie zeigen uns Trithemius als den Erneuerer der alten Klostergelehrsamkeit. Sodann die Jahre 1507 und 1508, hier entsteht die Polygraphie, der Antipalus maleficiorum, die Abhandlung von den sieben Planetengeistern, geschrieben teils für Maximilian, teils für den Kurfürsten Joachim von Brandenburg; sie zeigen uns Trithemius den Magier, das Orakel der großen Herrn, den Konkurrenten des Doktor Faust. Beide Ströme fließen zusammen in seinen historischen Werken, der Sponheimer Klosterchronik und der Hirschauer, die sich dann zu den großen Hirschauer Annalen auswächst; Werke, an denen er sein Leben lang gearbeitet hat.

Klosterreform ist für Trithemius durchaus Bildungsreform. Wenn die Erneuerung des Sokratischen Gedankens, daß der Wissende nicht schlecht handle, humanistisch ist, so gehört Trithemius mit seiner Arbeit auf diesem Gebiet auch in den humanistischen Zusammenhang. Auch deshalb, weil sein Kloster Sponheim nicht so fast die Pflanzschule einer neuen Mönchsgeneration, als ein gastfreies Absteigequartier für die geistig angeregten Menschen der alten und der neuen Schule wird, „griechisch vom Abt bis zu den Hunden, so daß man sich mitten im jonischen Lande glauben konnte“, wie ein humanistischer Freund 1496 findet. Die Besucherliste[1] zeigt neben Celtis, Reuchlin, Dalberg, Cuspinian, Wimpfeling auch Gabriel Biel, Jakob Spengeler, Roger Venray u. a. Den Eintretenden grüßen von den Wänden der Abtszelle Verse von Sedulius, Juvencus, Fortunat, Hildebert von Tours, Peter von Riga, Walter von Chatillon – Dichter, welche Vinzenz von Beauvais z. T. als modern und als Antidoton gegen die Heiden

  1. [230] 25) Chronicon Sponheimense bei Freher, Johannes Trithemii Opera historica (1601) II, 396.