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Wer sah weit genug, um die Antapodosis Liutprands mit Platinas Leben Pauls II. zu vergleichen! Man meint, hier hätte den Bestrebungen der Celtis, Pirkheimer, Peutinger diese Quellen ans Licht zu ziehen, sie durch den Druck vor neuer Vergessenheit zu bewahren, der kräftigste Helfer erstehen müssen.

Vielleicht wäre das geschehen, wenn Trithemius sich 1507 entschlossen hätte, dem Anerbieten dieser Freunde zu folgen, die ihm ein Heim in Augsburg in Aussicht stellten, wo er mit einem Jahrgeld Maximilians „fern von allem Weltlärm“ hätte philosophieren können. Er wäre damit in einen der großen Mittelpunkte humanistischer Forschungs- und Herausgebertätigkeit gerückt worden, sicher zu seinem Heil. Aber Trithemius lehnte ab. Er wollte Mönch sein und bleiben, und er geht auch weiterhin seine eigenen Wege. Man darf zweifeln, ob er der Aufforderung Pirkheimers die alten Quellen drucken zu lassen nachgekommen wäre, auch wenn ihn nicht 1516 der Tod überrascht hätte. In seinen Annalen rühmt er die Buchdruckerkunst als deutsche Erfindung, freilich mit den Worten eines Italieners, aber die Schreibtätigkeit der Mönche betrachtet er doch als die verdienstvollste Klosterarbeit, wie sie es für die alten Benediktiner von Fulda und St. Gallen wirklich gewesen war.[1]

Dies Rückschauen in eine nun einmal nicht wiederzubringende Vergangenheit hat sich gerächt. Die Büchersammlungen, die Trithemius angelegt hat, sind schon bald nach seinem Tode in alle Winde zerstoben, kaum, daß sich da oder dort noch ein Stück aus der alten Schatzkammer nachweisen läßt.[2] Sein Entdeckerruhm, von dem sich keckere Nachfolger mehr angeeignet haben mögen, als wir heute nachweisen können, ist schnell verdunkelt worden. Das Interesse der Humanisten an ihm erlischt, als sich der Hunibald als Trug, der Nachlaß als disiecta membra erweist[3], und die Schar der „Trithemianer“, deren er sich schon bei Lebzeiten rühmen konnte, rekrutiert sich aus Mönchen. Namen von Klang sind nicht darunter. Wolfgang Trefler in Mainz, Paul Lang in Bosau und Johann Butzbach in Maria Laach mögen die bekanntesten sein.[4] Sie haben sich, wie ihr Meister, auch auf historischem Gebiet versucht, aber ohne ihn zu erreichen. Und wenn einer wie Butzbach mit seinem Wanderbüchlein einen glücklicheren Griff tut, so ist das ein Jugendwerk, dem keine Weiterentwicklung entspricht. Als die Abrechnung zwischen Humanistik und Scholastik kommt, finden wir sie unter den viri obscuri. Den großen Strömungen des Humanismus stehen sie fremd, ja feindlich gegenüber, schon weil ihr Wahlspruch der ihres Meisters bleibt,

  1. [233] 54) Silbernagl 76, 80, dazu Butzbachs Äußerung von 1514 bei P. Richter, Die Schriftsteller der Benediktinerabtei Maria-Laach in Westdtsch. Zs. XVII, 308. Doch erscheint Trithemius auch in diesem Punkte zwiespältig. Nach der verloren gegangenen Schrift Wimpfelings „De arte impressoria“ hätte er schon in Sponheim auf Dalbergs Ermunterung hin eine eigene Druckerei zur Herausgabe der Quellen für deutsche Geschichte errichten wollen (Janssen-Pastor, Gesch. d. dtsch. Volkes17 I, 115), auch bei der Drucklegung der Hrotsuit scheint er die Bemühungen des Celtis wenigstens unterstützt zu haben, s. die bei Aschbach, Roswitha u. Celtes 67 zitierte Briefstelle, endlich erbietet er sich 1507 bei seiner Ablehnung der Übersiedelung nach Augsburg von seinem Kloster aus dem Kaiser bei der editio chronicorum zu helfen (Opp. II, 570), aber aus all dem ist dann jedenfalls nichts geworden.
  2. [233] 55) Z. B. die in seinem Auftrag 1497 hergestellte Abschrift der Briefe des Bonifatius, jetzt clm. 830 s. M. G. Epistolae III, 217 oder cod. reg. Bruxell. 1904 (Liutprand) s. M. G. SS. III, 270. Über das Schicksal der Sponheimer Bibliothek unter dem Nachfolger des Trithemius s. Pellikans Chronikon l. c. 49.
  3. [233] 56) S. die Äußerungen von Stabius und Pirckheimer bei Silbernagl 188, 231; das Urteil Peutingers über den Hunibald ibid. 24320 und besonders die Wiedergabe der eingehenden Kritik des Stabius bei Laschitzer im Jb. d. kunsthist. Sammlungen d. allerhöchsten Kaiserhauses VII, 21, wo auch ein interessantes Spottbild auf Trithemius aufgenommen ist.
  4. [233] 57) Über Trefler s. König in FDG. XX, 37 ff., und HPBll. LXXVII, 923 ff. Über Lang NASächsG. XIII, 279 ff. Über Butzbach und seinen Kreis das Beste in dem obengenannten Aufsatz Richters. Veröffentlichungen aus seinem Nachlaß beginnt Fertig, Neues aus dem lit. Nachlasse des Johannes Butzbach. Programm Würzburg 1907.