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Enea Silvio populär gemacht hatte, folgend, eine spöttisch-zornige Abschweifung darüber bringt, daß ja einer nur den andern gebäre, so singt er doch gleich seine Palinodie: hat doch der Wormser Reichstag durch das einmütige Zusammenwirken von Kaiser und Ständen den Landfrieden und die Reichssteuer gebracht, von denen sich Brant eine neue Zeit erhofft.

Trotz dieses Ausblickes werden wir nach dem bisherigen wenig Ursache haben, Brant zu den humanistischen Historikern zu stellen. Vielleicht auch nicht, wenn wir uns von seiner Tätigkeit als amtlicher Annalist der Stadt Straßburg nach den dürftigen Resten, die uns übrig geblieben sind, eine Vorstellung zu machen suchen.[1] Denn, die „gedächtnüssbüchl“, mit denen er wie seine Vorgänger die Ereignisse der Stadtgeschichte möglichst unmittelbar zu begleiten hatte, sind eben offenbar nur „etwas prolixer und dicker“, sonst aber von alter Art gewesen. Und auch die Chronik, die nebenherging, würden wir nach den spärlichen Hinweisen und einer größeren Probe durchaus für ein Werk mittelalterlicher Stadtchronistik halten müssen, hätte uns nicht Caspar Hedio ein Einleitungskapitel erhalten, das die „Gelegenheit teutscher Land“ bespricht.[2]

Hier weht neuer Geist. Die Frage nach dem Unterschied der Grenzen des alten und neuen Deutschland, die Enea Silvio aufgeworfen, Fabri weiter zu verfolgen gesucht hatte, beantwortet Brant auf Grund der besten Quellen. Caesar, Tacitus, Plinius und Strabo werden einwandfrei verwertet. Brant bemerkt den beständigen Wechsel in den Sitzen der alten Stämme, der die Identifizierung der überlieferten Namen erschwert, ebenso die gewaltigen Veränderungen, die die Kultur in dem Antlitz des Landes hervorgebracht hat. Wenn er aber sodann Rhein und Donau in ihrem Laufe verfolgt, so glauben wir trotz einer wehmütigen Bemerkung über den Kaiserstuhl zu Rense oder einer antiquarischen Notiz über das ubische Köln mehr den reisenden Kaufmann zu hören, der Zollstätten und Brücken notiert als den Beobachter von Land und Leuten und die „Summa aller Macht teutscher Nation“, mit der das Fragment schließt, ist breiter, aber nicht tiefer als die Statistik des Kolmarer Dominikaners aus der Zeit Rudolfs von Habsburg.

So mag man zweifeln, ob Brant auch bei größerer Muße die weitertragenden Gedanken der Schlußrede dieses Abschnitts[3] zum Programm eines einheitlichen historischen Werkes hätte machen können. Den Zeitgenossen und uns bleibt er der Verfasser des Narrenschiffs und muß den Ruhm der ersten Darstellung deutscher Geschichte

  1. [234] 77) Das Material dafür ist von Dacheux nach Wenckers Auszügen im Bull, de la société pour la conservation des monuments historiques d’Alsace II° serie XV u. XIX vol. vorgelegt worden. Ich notiere daraus folgende Stellen: XV, 220 (Von a° 1490–1520): seind E. E. Gr. Raths Prothocolla von Dr. Branden. 223: 1502 wird Dr. Seb. Brant stattschriber und hat der die folgenden gedächtnissbüchel geschriben. 1503: Hier fangen Dr. Branden des stattschribers gedächtnüssbüchel oder protocollaglitter an und sind etwas prolixer und dicker als die vorhergehenden. 525: 1504 (Einreiten Maximilians in Straßburg) NB. De mane hora 6taque acta sunt, non scripsi, quia dominus dr. Cancellarius ea in suo memoriali signavit. 227: Bemerkung über die Weihe des Bischofs Wilhelm von Hunstein 1606 ut in Chronica mea (uns erhalten und gedruckt von Zarncke l. c. 199 ff). 240: (Über den Veitstanz v. 1518) von disem tantz findt man in miner Cronicken ad longum. 242: 1520 Ab isto tempore usque Simphoriani absens fui, missus Gandam ad Caesaream Maj. Redii sanus et incolumis gratiam Caesaris adeptus ex congratulatione, quae in Chronica nostra habetur.
  2. [234] 78) Caspar Hedio, Ein außerleßene Chronik von Anfang der welt. Straßburg 1539. f. 731 ff. Dazu Varrentrapp, Seb. Brants Beschreibung von Deutschland und ihre Veröffentlichung durch Kaspar Hedio (ZGOberrheins N. F. XI, 288ff.). Hier ist auch darauf hingewiesen, daß das Stück in seiner jetzigen Form nicht vor 1513 geschrieben sein kann. Hegel (St. Chr. VIII, 66) meint, daß diese Chronik von der in den obigen Verweisungen erwähnten verschieden gewesen sein müsse. Das glaube ich nicht.
  3. [235] 79) f. 770: Dise beschreibung ist darumb beschenen, daz die jhenigen, die Teutsche land nie erkündet oder durchsehen, eyn anzeyg und bildniss haben möchten der weite und größe Teutscher land und die frembden nationen nit gedencken, als offt geschieht, jre land für groß und mächtig alleyn zuschetzen oder zu achten sein. Auch sich nit verwundern, warumb alle land mit Teutschen jnwonern besetzt und mit lauffendem kriegsvolck erfüllet, dermassen das Teutsche landt nit leichtlich an leuten erlöset oder erschöpffet werden mag. Und das billich die Teutschen durch ire frumbkeyt, macht und manheyt willen die keyserliche kron aller erden erlangt haben und aus sonderer Ordnung und fürsehung des allmechtigen mit tapferlich regierung und fürwesen erlich auftragen. Und ach und o lieber Gott, das doch die Teutschen in irem wesen und fürsichtigkeit sich der massen zusamen hielten als andere zungen; wer sunder zweifel nit alleyn der regierend titel, ja vil mer der regierend gewalt und herliche oberkeyt aller erden nun langest bei den henden und gepotten der Teutschen gestanden. – Über den Umfang der historischen Pläne Brants Schmidt I, 250.