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1495 ist Wimpfeling dann auf dem denkwürdigen Wormser Tage, der Sebastian Brant und ja noch Jahrhunderte später Justus Möser als der Anbruch einer neuen Zeit erschien. Hier lernt er eine kirchenpolitische Denkschrift, den „Traum“ des Ritters Hans von Hermansgrün kennen; sie macht solchen Eindruck auf ihn, daß er sich noch 15 Jahre später derselben erinnert. In dem Werkchen[1]), das sich schon formell den besten Leistungen humanistischer Beredsamkeit an die Seite stellt, hatte der Autor die drei Vorkämpfer des Reichs, Karl den Großen, Otto den Großen und „Federicus secundus Barbarossa“ aus den Gräbern zitiert, um den letzteren vor einer geträumten Reichsversammlung die Gefahren darlegen zu lassen, die dem Reich von Türken und Franzosen drohen. Von den Franzosen vor allem, deren König Karl auf seinem von aller Welt mit staunender Furcht beobachteten Italienzuge nach des Ritters Meinung nichts anders erstrebt haben kann, als die römische Kaiserkrone.[2] – Wir sahen, wie das die Befürchtungen des Trithemius waren, Wimpfeling teilt sie durchaus. Er wird wohl davon gewußt haben, daß Ludwig XI. das Andenken Karls des Großen in seiner Weise wieder zu beleben gesucht hatte, indem er ihn in Paris als Heiligen verehren ließ, wie einst Ludwig der Fromme in Aachen.[3] Gewiß auch kannte er, so gut wie Meisterlin und andere Humanisten, die vielleicht in Straßburg 1477 gedruckte große Plutarchübertragung, in der am Schluß eine Vita Caroli Magni e graeco translata stand. Der Bearbeiter Donato Acciauoli hatte sie demselben Ludwig XI. als Geburtstagsgabe dargebracht und den Einhard darin stark „gallisch“ überarbeitet.[4]

Längst gehen neben solchen politischen Anregungen eigentlich historische Studien und Bestrebungen Wimpfelings her. In Speyer nimmt er – vielleicht der erste seit Burkard von Ursperg – historisches Interesse an den Inschriften der Kaisergräber[5]; in der Dombibliothek findet er das Carmen de bello Saxonico, aus Dalbergs Bibliothek in Worms mag er den Ammianus Marcellinus kennen gelernt haben, damals zwar schon gedruckt, aber in Deutschland so gut wie unbekannt.[6] 1497 ediert er mit Brant Lupold von Bebenburgs Werk: Germanorum veterum principum zelus et fervor in christianam religionem deique ministros. Er fand darin nicht nur sein Ideal des christlichen Fürsten, sondern auch die Erörterung einer Frage, die ihn lebhaft beschäftigte, die über das Deutschtum Karls des Großen. Die Ausgabe Ottos von Freising sollte dem Lupold folgen und das Andenken Friedrich Barbarossas erneuern.[7]

Wie Wimpfeling auf Trithemius zur Herausgabe des Katalogs

  1. [235] 84) Herausgegeben von Ulmann i. d. FDG. XX, 67 ff. Zur Persönlichkeit des Verfassers vgl. Bauch im NASächs.G. XX, 286.
  2. [235] 85) Über die sachliche Begründung solcher Befürchtungen s. Pastor, Gesch. d. Päpste III, 312.
  3. [235] 86) Gaguin, Compendium super Francorum gestis (Paris 1504) 29b.
  4. [235] 87) S. über die Ausgabe meine Bemerkungen im Meisterlin S. 1861. Es ist wahrscheinlich, daß Gaguin das Stück in seiner Chronik benutzt hat.
  5. [235] 88) Daß Wimpfeling eine handschriftlich in Karlsruhe liegende Beschreibung der Kaisergräber nicht verfaßt hat, hat Bickel, Wimpfeling als Historiker 87 ff. wahrscheinlich gemacht. Für seine Kenntnisse in der Epitome genügt es übrigens, wenn er die von Bischof Mathias Ramung von Speier 1470 im Königschor angebrachte Tafel kannte, die auch die Kölhoffsche Chronik benutzt (St. Chr. XIII, 485).
  6. [235] 89) Erste Ausgabe Rom 1474. In der Wormser Bibliothek vermutete man ein vollständiges Exemplar s. K. Morneweg, Johann von Dalberg 235.
  7. [235] 89) Erste Ausgabe Rom 1474. In der Wormser Bibliothek vermutete man ein vollständiges Exemplar s. K. Morneweg, Johann von Dalberg 235.