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Elsaß die Worte des Tacitus über die terra tristis cultu et aspectu gesetzt, die er in dem Briefe an Trithemius verwendet hatte, so würde auch hier Anfang und Schluß sich entsprochen haben. –

Es ist mancherlei in dem Büchlein, was uns noch heute beachtenswert erscheint: der Versuch, einen Anfang deutscher Geschichte zu finden, die Heraushebung des Ariovist, die Benützung der Germania des Tacitus für die Gewinnung einer Vorstellung von Grundeigenschaften des deutschen Volkes. Auch ein Abschnitt wie das 39. Kapitel, De laudibus Friderici II, ist bedeutsam. Hier ist dem Autor die berühmte Erörterung des Livius über die Frage, was geschehen wäre, wenn Alexander Rom bekriegt hätte, in den Sinn gekommen.[1] Sein Gedankengang führt ihn nicht nur zu einer bemerkenswerten Glorifizierung dieses so viel angefochtenen Kaisers, sondern auch zu der an anderer Stelle[2] noch deutlicher ausgesprochenen Meinung, daß auch wir unsere Heinriche, Ottonen, Karle, Konrade, Friedriche hätten, so daß wir dem Altertum seine Helden wohl lassen könnten. Hatte sodann noch Fabri zwar deutsche Kunst erhoben, ohne doch Künstler nennen zu können, so sind hier Schongauer, Dürer u. a., die mit Apelles und Parrhasius verglichen werden, wie bei Trithemius Regiomontan mit Anaximander und Archimedes, das Straßburger Münster, das mit dem Tempel der ephesischen Diana wetteifern kann.

Sehen wir nun aber etwas genauer zu, so zeigt sich alsbald, daß wenigstens die Komposition nicht die starke Seite des Autors ist: die Varusschlacht wird dreimal erwähnt, die Tapferkeit der germanischen Frauen mit Benutzung derselben Tacitusstelle zweimal, die germanische Abstammung Karls des Großen steht am Schluß der Ottonenreihe, und kann man sich für diese Einreihung schließlich noch einen sachlichen Grund denken – hier soll motiviert werden, warum das Reich auch als Wahlreich dem deutschen Stamme bleiben muß –, so gibt es für den Einschub eines Panegyrikus auf die pfälzischen Wittelsbacher in die Geschichte Friedrichs III. nur einen persönlichen, die Beziehungen Wimpfelings zum Heidelberger Hofe.

Dröseln wir dann das Gewebe der Darstellung auf, so kommen wir zu einem überraschenden Ergebnis: nicht die mehrfach genannten zeitgenössischen Quellen sind die eigentliche Grundlage der Arbeit, nicht Tacitus, Ammian, das Carmen de bello Saxonico, Otto von Freising, sondern ein Exzerpt aus den großen Geschichtswerken des Platina und Biondo, das überdies wohl sicher Murrhos Arbeit ist, und darum geschlungen ein zweites aus den Reden, die der Bologneser Professor Filippo Beroaldo bei der Einführung eines deutschen Rektors

  1. [236] 97) Geiger, Wimpfeling (ADB. Bd. XLIV, 532) und Bickel, Wimpfeling als Historiker 563 scheinen an die Stelle (Livius VIII, 17 ff.) nicht gedacht zu haben und kommen deshalb zu merkwürdigen Bemerkungen. Die unmittelbar vorhergehende Charakteristik Friedrichs II. und die Schlußworte über ihn sind aus Enea Silvios Historia Friderici III, s. o. Anm. 75 des Abschnitts II.
  2. [236] 98) Cap. 53. Es ist Entlehnung aus Bebels Rede vor Max 1501.