Seite:De Geschichtsauffassung 086.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Türkensiege und die Einnahme von Konstantinopel durch die Türken finden könne, läßt Ludwig den Bayern von Karl IV. besiegt werden und auf der Flucht sterben, Hieronymus und Huß deshalb verbrannt werden, weil sie außer der Armut des Klerus auch Weibergemeinschaft gepredigt hätten.

Beruhen solche Dinge auf Flüchtigkeiten oder Verwechslungen, so ist es bedenklicher, wenn Jakobus bei der Beschreibung von Trier sagt[1]: Huius urbis cives nunc et moribus et ornatu legibusque ob mercatorum et adventantium frequentiam et familiaritatem admodum culti et humani referuntur, qui ob Germaniae vicinitatem Germanica utuntur lingua et ab eisdem cultu et exercitu et quadam in bellis ferocitate non multum differunt. – Jakobus ist nicht gerade deutschfeindlich, in seiner Familie zeigte man mit Stolz einen Pfalzgrafenbrief Ludwigs des Bayern[2], wenigstens nicht mehr als jeder guelfisch und national fühlende Italiener. Überdies hören seine geographischen Begriffe bei den Alpen auf, aber in unserer Stelle ist die mala fides außer Zweifel, denn er hat einen Artikel des Raimondo Marliano benützt, der an dieser Stelle hatte: fere omnes autem Treveri Germanica lingua utuntur.[3] Es sollte sich zeigen, daß es noch mehr Stellen gab, an denen deutsche Leser Anstoß nahmen.


Die Drucke des Antoninus und Jakobus, daneben die des Fasciculus temporum, eines Geschichtsabrisses, den der Kartäuser Werner Rolewinck verfaßte, und der großen Kompilation des Vinzenz von Beauvais spielen in der Geschichte der Wiegenzeit des Buchdrucks eine wichtige Rolle. Sieht man die Druckorte an, so findet man mit einigen leicht zu erklärenden Ausnahmen nur deutsche Städte und – Venedig, das in der humanistischen Bewegung Italiens ja immer eine besondere Stellung eingenommen hat. Auch hier aber sind es deutsche Drucker, welche diese Werke ans Licht bringen, und es scheint, daß sie gerade Produkte solcher Art für besonders geeignet gehalten haben, eine Art von Austauschware zwischen den beiden Ländern zu bilden.[4] In Deutschland vor allem sind denn auch die Nachfolger des Antoninus und Jakobus zu suchen.

Vielleicht müßten wir, wäre uns sein Werk erhalten, hier zuerst einen der ehrwürdigsten Namen des deutschen Humanismus nennen. Der Friese Rudolf Agricola, der Mann, der, wie Erasmus rühmte, in Italien hätte der erste sein können, es aber vorzog, ein Deutscher zu sein, soll auf Anregung des Pfalzgrafen Philipp eine Weltchronik nach der Ordnung der vier Monarchien verfaßt haben. Aber wir


  1. [241] 33) T. I, f. 88b.
  2. [241] 34) T. II, f. 141.
  3. [241] 35) Die ganze Stelle des Marlianus in seinem Cäsarindex s. v. Treveri lautet: Treveri populi inter Belgas in confinibus Germaniae finitimi Nerviis, Menapiis et Eburonibus, Rhemis, Mediomatricibus, id est Metensibus, et Rheno fluvio usque in pontem, quo item Caesar traiecit exercitum, quae pars nunc est Coloniensis diocesis, qua antiqua locatior et feracior fuit Treverensis. Fere autem omnes Treveri Germanica lingua utuntur et nisi exercitu coacti imperata non faciebant, nam civitas propter Germaniae vicinitatem quottidianis exercita bellis cultu et feritate non multum a Germanis differebat. Horum inter Gallos virtutis opinio erat singularis et plurimum equitatu peditatuque valere existimabantur. Nomen retinent; situs civitatis est natura munitus, metropolis ipse est, hos memorat Lucanus in primo. – Die Benutzung des Marlianus durch Jakobus wird sichergestellt durch die Gleichsetzung der römischen quaestores mit den päpstlichen Kollektoren, die Marlianus s. v. Belgae bringt. Vielleicht hat aber daneben noch die Cäsarische Geographie von Gallien überhaupt gewirkt, unter deren Einfluß auch in deutschen mittelalterlichen Schriftstellern Trier als „gallisch“ erscheint, z. B. bei Albert von Stade (M. G. SS. XVI, 367}.
  4. [241] 36) Rolewincks Fasciculus wird 1479 und 1480 in Venedig gedruckt (Potthast2 982), Vincenz von Beauvais ebenda 1494, aus Schedel ergänzt (Grauert im HJb XVIII, 76 ff.).