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vollends, daß etwa Cimbern- und Teutonenzüge oder die Völkerwanderung in einer deutschen Weltchronik ausführlicher zu behandeln wären, hat er keine Ahnung. Er läßt sogar aus Jakobus den dort aus Orosius entlehnten Artikel Caesaris gesta in Germaniam ganz fort, so daß Ariovist bei ihm nicht vorkommt, und schreibt bei Pipin ruhig aus Biondo ab: Longum esset referre singula, quae in Germanos, Aquitanos, Burgundiosque gessit.

Bei der deutschen Geschichte des Mittelalters aber haben ihn die Jakobus und Biondo, Platina und Palmerius sogar von der Benutzung der deutschen und nürnbergischen Quellen abgehalten, die er in einem Auszug aus der Weltchronik von 1459 besaß.

Ebenso sind die Humanistenbiographien, die dem Buch Schedels einen modernen Aufputz geben, fast alle wörtlich aus Jakobus entlehnt; man würde nicht ahnen, daß der Autor des Liber chronicarum die meisten Werke, von denen er hier spricht, in seiner Bibliothek stehen hatte.

Wie wenig Schedel denn auch zu einer eigentlichen Bearbeitung historischen Stoffes fähig gewesen wäre, das können wir aus einer der wenigen Stellen entnehmen, wo er den Faden chronikaler Aufreihung verläßt, aus der bei der Regierung Ottos I. eingeschobenen Erörterung: De progressu imperii ac translatione eius in Germanos. Daß Schedel hier überhaupt abschweift, hat wieder seine Vorlage bewirkt, denn Jakobus bietet an dieser Stelle einen Rückblick auf die Geschichte des Imperiums, der ihn bis auf das älteste Rom und dann auf die von dem Venetianer Lionardo Giustiani und im Florentiner Kreise erörterte Frage über die alte Bedeutung von imperator und rex führt. Daran schließt er einen zweiten Rückblick auf das älteste Deutschland und eine allerdings sehr unbedeutende Descriptio Germaniae. Das Ganze ist eine bemerkenswerte humanistische Ummodelung einer mittelalterlichen Auffassung: die Deutschen sind erst durch das Imperium etwas geworden, aber das Imperium ist hier nicht mit Vorstellungen von päpstlicher Verleihung, sondern von altrömischer Herkunft verbunden.

Doch Schedel hat hier einen besseren Führer. Er nimmt nur die Einleitungsworte aus Jakobus, dann aber folgt eine Zusammenziehung der ersten neun Kapitel aus dem Tractatus de ortu et auctoritate imperii Romani des Enea Silvio.[1] Damit stellt sich Schedel zu den humanistischen Imperialisten, wie Bebel, Wimpfeling und Brant, und leitet so die Geschichte des hl. römischen Reichs deutscher Nation nicht übel ein. Aber es hat ihn gereizt, dieser Quelle noch weiter zu


  1. [242] 46) Nachweis von Haitz 23.