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folgen, und so bietet er ein paar Seiten später einen Auszug aus den nächsten sechs Kapiteln, wo Enea mit der ganzen Schroffheit der absolutistischen Grundsätze des römischen Rechts die Unumschränktheit der kaiserlichen Gewalt und die Widerruflichkeit aller Privilegien, die dieser entgegenstehen, lehrt. Schedel knüpft sie unglücklicherweise gerade an der Stelle an, wo er nicht nur die von Enea absichtlich gar nicht erwähnte Einsetzung der Kurfürsten, sondern auch die schon von Meisterlin als eine Phantasie der „Herolde“ bekämpfte Quaternionentheorie bietet, also eben die Hauptstützen der „teutschen Libertät“. Er hat wohl einen der Drucke der goldenen Bulle benutzt, der die Quaternionen enthielt. Dann aber meint Schedel doch auch etwas in bezug auf die von ihm weggelassene Stelle des Jakobus über den Imperatorentitel sagen zu sollen und vergißt darüber, daß er eigentlich von der goldenen Bulle sprechen wollte. Aber was er gegen Jakobus zu bemerken hat, fällt sehr schwächlich aus.[1] Man sieht nur, daß er es hier ebenso mit den alten Anschauungen hält, wie bei seinem Exkurs De nobilitate, den er dem Kartäuser Werner Rolewinck entlehnt, unbekümmert um die gerade in diesem Punkt so lebhafte Diskussion der Humanisten.[2]

Doch ist Enea Silvio jedenfalls der Autor, dem Schedel alles verdankt, was von wirklichen Fortschritten in seiner Chronik ist.[3] Die Türkenrede vom Frankfurter Tag und die Germania haben seinen Patriotismus erregt[4], die Böhmische Geschichte und die Europa geben Stoff und Urteil für die deutschen Kaiser von Wenzel bis Friedrich III., die Widmung der Commentarii in Antonium Panormitam die Vorlage für den die eigentliche Chronik schließenden Panegyrikus an Maximilian[5], die geographischen Werke endlich Grundlage und Richtung für die geographischen Interessen Schedels.[6]

Freilich die der Chronik angehängte Europa Eneas sieht sonderbar neben den aus Vinzenz stammenden und eigentlich bis auf Orosius zurückgehenden Beschreibungen der drei Erdteile am Anfang aus. Schedel gibt unbekümmert über Sizilien zwei, über Britannien gar drei Beschreibungen, die jede einen andern Wissensstand zeigen[7], und sein Versuch, die Lücken, die Enea in seiner Europa bei den schwäbischen und rheinischen Landen gelassen hatte, auszufüllen, ist mißlungen. Auch die beigegebene Karte Deutschlands war durch den Ptolemäus des Nikolaus Donis schon überholt. In der Frage der Antipoden weiß sogar Felix Fabri besser Bescheid.

Aber das hatte er sich aus Enea entnommen, daß Deutschland das Land der Städte sei, und mit Recht haben die Städtebeschreibungen


  1. [242] 47) Chronik f. 185. Verum quia mos ille (sc. veterum Romanorum) abolevit omnino nec solum ex usu, sed ex memoria quoque Germanorum abiit, hunc recentiorem per plures ferme annos servatum antiquum arbitremur. Sequamur a nostris maioribus religiose instituta et ad nos usque traducta, quae consensus Christi fidelium approbavit, ac deinceps diligentissimis doctissimorum historicorum scriptis (quod unicum est refugium) oblectemur nec curiosi, quid ceteri loquantur.
  2. [242] 48) Chronik f. XX vgl. Haitz 18. Zum Vergleich der mittelalterlichen und der humanistischen Auffassung dieses Themas s. die Nachweise von Strauch, Enikel (M. G. Dte. Chroniken III, 1, 591) einerseits und Burckhardt, Kultur II9, 308 anderseits.
  3. [242] 49) Scheurl sagt einmal (Briefwechsel edd. Soden und Knaake II, 68): Koberger chronicon illud ex Silvio congestum non minoris vendit aureis duobus.
  4. [242] 50) Beide benutzt in der Einleitung zum geographischen Teil f. CCVII der Chronik.
  5. [242] 51) Haitz 18.
  6. [242] 52) Eine Untersuchung darüber fehlt. F. G. Schultheiß, Das Geographische in Hartmann Schedels Liber chronicarum 1493 (Globus Bd. LXV (1894) S. 6 ff.) fördert nicht.
  7. [242] 53) Chronik f. XIX (nach Vincenz v. Beauvais) und XXXVIII (nach Jakobus); für Britannien f. XIX und XLVI (wie oben) und f. CCLXXXVIII aus Enea.