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Stückchen zerpflückt, strebt Nauklerus nach größeren Einheiten, wobei freilich mancherlei unverarbeitetes Material am Ende jeder Generation einfach angehängt werden muß.

Je weiter dann die Darstellung vorschreitet, desto deutlicher zeigt sich, daß hier aus den Alten selbst alte Geschichte geschrieben worden ist. Von der Tendenz des Orosius, der dartun will, daß unter den Heiden niemals Friede gewesen sei, und daß ihre Tugenden doch nur glänzende Laster seien, ist Nauklerus völlig frei. Die Charakteristiken, in denen er, angeregt, aber nicht abhängig von Jakobus, Männern wie Alexander, Hannibal, Pyrrhus einen Nachruf schreibt, bei andern, wie Marius, Sulla, Cäsar einleitend die indoles zu schildern sucht, sind Ergebnisse der Lektüre des Plutarch und Sueton. Die Cäsarbiographie vollends ist weitaus das Beste, was über diesen Gegenstand bisher in einem deutschen Geschichtswerk zu lesen war.[1]

Und hier bei der Geschichte Cäsars reift nun die erste Frucht der Altertumsstudien Nauklers für die deutsche Geschichte. Es zeigt sich sogleich bei ihm, wie vorher nur bei Enea Silvio, was es bedeutet, daß er die Kommentarien als den eigenen Bericht eines Augenzeugen schätzt, nicht mehr als das Buch eines Julius Celsus betrachtet, wie Antonin der mittelalterlichen Überlieferung, oder des Sueton, wie Jakobus dem Orosius nachschreibt. Aber es zeigt sich auch, daß er nicht wie Gaguin in dem Buche Vorschriften für Kriegs- und Staatskunst,[2] oder wie Ringmann-Philesius „wahre“ Abenteuer sucht, mit denen man die Ritterbücher bekämpfen könnte, und es genügt ihm auch nicht, den Kommentarien nur ein paar vereinzelte Tatsachen zu entnehmen, wie es Murrho und Wimpfeling taten: er will eine Schilderung des Cäsarischen Deutschlands geben.[3] Hätte er sich hier mit dem Auszug des Orosius begnügt, so hätte er gar nicht zu einem solchen Versuche kommen können, denn gerade die schildernden Partien Cäsars hatte Orosius vollständig übergangen.

Aber Nauklerus zieht hier auch eine Folgerung für die politische Geschichte: „Ceterum, qui Suevos a Caesare superatos scribunt, dissentire ab ipso videntur Caesare.“ Damit hat Nauklerus die erste mittelalterliche Fabel, die wir als besonderes Lieblingsstück schwäbischer Geschichte noch bei seinem Landsmann Fabri wirksam fanden, überwunden.

Man ist begierig, den Autor diesen Faden deutscher Geschichte nun auch durch die Reihe der römischen Kaiser verfolgen zu sehen. Bemerkenswertes steht da: die erste Erwähnung des Arminius,


  1. [243] 64) Besonders beachtenswert sind I, 178b die Bemerkungen über Cicero und Pompejus als Beurteiler Cäsars, die er aus den Briefen Ciceros ad Atticum zusammenstellt.
  2. [243] 65) S. den Abdruck der Vorrede zur französischen Übersetzung bei Thuasne, Gaguin II, 299.
  3. [243] 66) Bemerkenswert ist dabei besonders, daß er Cäsar VI, 12 als historisch, nicht kulturhistorisch ausläßt.