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Er gehört dem elsässischen Humanismus an. Seinen Namen hat er sich aus „Rheinauer“ latinisiert. So nannten die Schlettstädter die Familie, die aus dem kleinen Rheinau zu ihnen eingewandert war. In Schlettstadt erhielt der 1485 geborene Beatus seine Jugendbildung auf derselben Schule, die einst unter Dringenberg für Wimpfeling wichtig geworden war, jetzt unter Crato von Udenheim und Hieronymus Gebwiler in neuem Flor stand. Mit Recht hat man betont, daß die Schlettstädter Schule seine Lebensanschauung bestimmt hat. Aber ein Kritiker ist Rhenanus hier nicht geworden. Vielleicht auch noch nicht in seiner Studienzeit in Paris, wo er bei Jakob Faber Stapulensis den wahren Aristoteles als „christlichen Philosophen“ κατ` ἐξοχὴν kennen lernte. Aber er wurde hier befähigt, den christlichen Humanismus, wie ihn Wimpfeling verstand, wirklich auf den Zeugen des Urchristentums aufzubauen und diese, ganz anders als Wimpfeling, von der Scholastik zu scheiden.

Der „philosophisch-humanistischen Periode“ in Paris folgte die „philologische“ in Basel, die bald einen deutlichen theologischen Einschlag erhielt. Durch Faber war Rhenanus vorbereitet, der Lebensgenosse des Erasmus zu werden, dessen Geist er vielleicht von allen Deutschen am tiefsten in sich aufgenommen hat. In dessen Sinne hat er denn auch sein Leben verbracht, zuerst in Basel, dann von 1527 bis zu seinem Tode 1547 in Schlettstadt, inmitten eines stets wachsenden Kreises der mannigfachsten Beziehungen, aber doch nur wahrhaft glücklich, wenn er es für sich sein konnte[1], ohne Amt und ohne Würde, fast nur literarischer Beschäftigung hingegeben, aber doch kaum ein Schriftsteller zu nennen, nur ein besorgter und gelehrter Exeget der Werke der Vorzeit. –

Es war zunächst nicht anzunehmen, daß die wichtigsten Interessen des Rhenanus historische, besonders nicht im Sinne des humanistischen Patriotismus sein würden. In der Bibliothek, die schon der Fünfzehnjährige zu sammeln begonnen hatte, treten die historischen Werke auffallend zurück, und wenn wir unter seinen Editionen als erste selbständige die der Exemplorum libri decem des Sabellicus mit Widmung vom 31. Dezember 1507 finden, so ist dies eben nur ein Geschichtsbuch im Sinne der Illustrationen zur Moral, wie sie Erasmus liebte, und die Widmung hebt auch nur diesen Gesichtspunkt hervor. Vielleicht hatte Crato von Udenheim schon dem Knaben das Buch in solchem Sinne erläutert.[2] Wenn dann Rhenanus 1508 Souphers Ausgabe des Carmen de bello Saxonico mit ein paar Versen aus Baptista Mantuanus und einem Schreiben an Wimpfeling begleitet[3],


  1. [256] 96) Vita Rhenani per Sturmium im Briefwechsel 9: Valeat ergo iocosus versus, cuiuscumque fuerit: Beatus est beatus, attamen sibi.
  2. [256] 97) S. das Zitat aus Wimpfeling bei Knod, Bibliothek d. B. Rhenanus 72.
  3. [256] 98) S. o. Anm. 41. Das Schreiben fehlt im Briefwechsel, vgl. Knod l. c. II, 256.