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die Exegesis Germaniae des Irenikus – eine ganze Nomenklatur von Orten auf -furt, -werd, -dam, -mund, -ort, -rode, -bühel usw. zu geben.[1]

Bei solchen Blicken auf die Gegenwart hat Althamer auch einmal Luthers gedacht und zwar in besonders feierlicher Weise. Er ist der „Cherusker“, der zuerst den Aberglauben vertreibt und Germanien von den Mönchs- und Sophistenfabeln und -lügen säubert, die sich schon mit den ersten Verkündern des Christentums eingeschlichen haben. „Qui igitur quondam Mercurium Martemque adoravimus, mox infinita divorum numina, idolorum portenta, horrendas abominationes, nunc in Jesum Christum dei patris omnipotentem filium, ex Maria virgine genitum crucifixum, a mortuis excitatum et ad patris dextram sedentem regnantemque unicum servatorem nostrum credimus: ab hoc uno corporis animaeque salutem expectamus, hanc religionem profitemur, utinam perpetuo“.[2] Was Althamer da sagt, stimmt nicht recht mit anderen Stellen seines Buchs, zumal nicht mit seinen Worten: ego cum religione Musas immigrasse puto, die er Rhenanus nachsprach. Aber es ist interessant als ein früher Versuch des Luthertums, sich mit der humanistischen Altertumsforschung auseinanderzusetzen. –


Wolfgang Lazius[3] ist ein Spätling des Humanismus. Seine Hauptwerke fallen in die Zeit, wo bereits die neue Theologie auf den Trümmern der humanistischen Kultur ihre Herrschaft erhob. Auch der Humanismus des Lazius ist bereits theologisch gefärbt[4], aber es ist doch noch durchaus Humanismus. Wollte man ihn nach dem Gesamtbild seiner wissenschaftlichen Tätigkeit der humanistischen Historiographie einordnen, so wäre er an Cuspinian anzuschließen, mit dem er auch in Lebensführung und politischer Gesinnung manche Ähnlichkeit hat. Aber er selbst hat als seinen eigentlichen Lehrmeister in der Geschichte wiederholt mit besonderem Nachdruck Beatus Rhenanus bezeichnet. Und in der Tat ist es auf den Einfluß des Rhenanus zurückzuführen, wenn er sein Lebenswerk, die Rerum Austriacarum decades VI mit so gewaltigen antiquarischen Forschungen unterbaut hat, daß sie das Hauptwerk an Umfang überragen. Es ist eine unerwünschte Nebenwirkung dieses Einflusses, daß die Österreichische Geschichte eine ungedruckte Fragmentensammlung geblieben ist.

Lazius scheint die Bekanntschaft des Rhenanus schon bald, nachdem er die unruhige Wandertätigkeit eines Militärarztes mit der stilleren eines Wiener Universitätsprofessors und Hofgeschichtschreibers vertauscht hatte, gesucht zu haben, und die Reste des


  1. [267] 205) Angaben über Viehzucht 91, Bergwerke 94; Feste nach Nächten benannt 125. Die Heldenaufzählung 132, die geistigen Größen 156 f. (s. dazu die Schwaben bei Ballenstedt 17 f.). Die Siedelungen 141 ff. mit der Schlußbemerkung: Ista locorum vocabula in eum usum congessi, ut nostris Germanis darem occasionem, argumentum et indicium singulorum locorum originem et nomenclaturam investigandi addivinandique; hoc enim ad illustrationem Germaniae plurimum conferet.
  2. [267] 206) Tacitus II, 123; vgl. 117 [zu: nec cohibent parietibus deos]: Atque hercle maior in hac re fuit veterum Germanorum pietas quam nostratium, qui immortalis atque invisibilis Dei gloriam ad mortalis hominis similitudinem mutaverunt.
  3. [267] 207) Biographie bei Aschbach, Gesch. d. Wiener Universität III, 204–233. Erhebliche Ergänzungen und Berichtigungen bei Michael Mayr, Wolfgang Lazius als Geschichtschreiber Österreichs 1894 und bei Oberhummer und Wieser, Wolfgang Lazius Karten der österreich. Lande u. d. Königreichs Ungarn aus den Jahren 1545–63. 1906.
  4. [267] 208) Man sehe dafür z. B. die Umwandlung der schon auf Petrarka zurückgehenden und durch Enea Silvios Germania in Deutschland populär gewordenen Excitatio ab inferis in der Praefatio zu den Gentium migrationes: Iam enim si ab inferis vel philosophorum aliquis, eorum, qui continentissimum vitae genus complexi erant, vel doeterum ecclesiae, aut denique martyr aliquis e beatorum loco rediret, nescio sane, quid definiturus foret.