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Literatur. Neben den eigentlich historischen Werken erscheinen Petrus Crinitus mit seinem Buch De honesta disciplina, Polydorus Vergilius mit seinem Buch von den Erfindern, Leo Battista Alberti mit seiner Architekturlehre; nicht minder ist ausgenutzt, was Beroaldo und Barbaro in ihren Schriftstellerkommentaren an Gelehrsamkeit niedergelegt hatten. Vollends in der deutschen Humanistenproduktion scheint es für Irenikus nichts Unbekanntes zu geben. Was Eck in einer Ingolstädter Rede über die Markgrafen von Brandenburg gesagt hat oder was Reuchlin an Wolf von Hermansgrün über den Namen Magdeburg, an Friedrich von Sachsen über die Axones schreibt, was sich aus den Briefen Enea Silvios, Agrikolas, Thomas Wolffs entnehmen läßt, das findet ebenso seine Stelle, wie ein Gedicht des Erasmus auf Schlettstadt, Glareans auf Säckingen oder eines von Otto Beckmann auf Heinrich den Löwen.[1]

Aber es scheint auch, als ob alle Richtungen des deutschen Humanismus sich hier ihr Stelldichein gegeben haben. Da tritt Lupold von Bebenburg im Sinne Wimpfelings als ein Hauptzeuge des vorhumanistischen Patriotismus auf, da werden Biondo, Bruni, Sabellicus mit Bebelschen Worten bekämpft, Peutinger ist über germanische Altertümer befragt, aus seinem Besitz zum ersten Male die Celtiskarte herangezogen.[2] Gresemunds Arbeiten, hat Irenikus aus dem Nachlaß benutzt[3], er hat Gruppierungen deutscher Städtenamen nach etymologischen Gründen versucht, zehn Jahre vor Rhenanus und Althamer[4], und man muß die Exegesis aufschlagen, um in die neuen geographischen Erkenntnisse Einblick zu bekommen, die damals Claudius Clavus und Johann Virdung von Hasfurt aus Dänemark, Norwegen und den „germanischen Inseln“ mitbrachten, und die anscheinend zuerst in Nürnberg zusammenflossen.[5]

Es ist unmöglich, daß dies alles wirklich selbsterarbeitetes Wissen ist. Vieles erscheint kaum anders als eine im Gespräch erhaschte Bemerkung, so etwa wenn er von Zonaras, dem copiosissimus Graecorum scriptor, zu reden weiß, dessen Entdeckung durch Cuspinian eben erst Maximilian an Pirckheimer gemeldet hatte[6], oder etwas von den griechischen Säuleninschriften in Trier wissen will, über die schon in der Schedelschen Chronik eine Notiz stand[7], und es eröffnet bedenkliche Perspektiven, wenn er neben Agathias als Hauptquelle für die Gotengeschichte noch den Scholasticus Smyrnäus zitiert, der in seinem Buche: τὸν καισαρέα alle Gotenkriege aufs genaueste beschrieben habe.[8] Er scheint die Identität des lateinischen, von


  1. [277] 73) Für Ecks Rede III, 57: Sunt qui tradunt Rudolphum Habspurgensem comitibus Zolrensibus marchionatum Brandenburgensem tradidisse, ut Eckius theologus. Gemeint ist die Rede De nobilitate literis exornanda et laude marchionum Brandenburgensium, erschienen 1515 (Wiedemann, Eck 459 f.). – Zitate aus Reuchlins Clarorum virorum epistolae II, 46, IX, 17 und XII s. v. Maydenburg. Ferner ist zu beachten II, 1 ein Brief Georgs von Gemmingen an Wimpfeling (scheint unbekannt zu sein, vgl. Falk, G. v. Gemmingen in HPBll. CXXI, 869 ff.). II, 46: Aegidius Antwerpianus Martino theologo, ibid. Jacobus Landspergius ad Thomam Wolphium [vgl. Knepper, Wimpfeling 257 und Stauber, Die Schedelsche Bibliothek 189].
  2. [277] 74) Nach Exegesis IX, 8 u. 17 und XII s. v. Mediolanum hat ihm Peutinger über deutsche Ortsnamen geschrieben. Was die tabula Peutingeriana betrifft, so sagt Irenikus IX, 7: Pervenit nuper ad nos Itinerarium quoddam, ut antiquum, ita festivissimum, quod Augustanum vocabant, ubi repertum fuisse dixerunt. Rhenanus wurde, als er die Res Germanicae begann, auf diese Stelle aufmerksam und erkundigte sich durch Michael Hummelberg bei Peutinger. Hummelberg erwiderte 2. Nov. 1525 (Briefwechsel 341): Pro Itinerario οὗ μέμνηκεν ὁ ἐκεῖνος, Peutingero scripsi tuo iussu, sed noram tacito. Nihil is de eo novit. Putat vero Irenicum id, quod Antonini est, Augustanum vocare, quod ab Augusto illo Pio sit conscriptum. Ebenso sagt Hummelberg [Briefwechsel 352], nachdem ihm Peutinger die tabula zur Abschrift geschickt hatte: Celticum ὁδοιπορικὸν omnino non est, quod Εἰρηνικός allegat. Trotzdem ist nach den Angaben, die Irenikus l. c. und IV, 33 macht, kein Zweifel, daß er die Celtiskarte benutzt hat (entscheidend: Lambach praetera monasterium non longe a flumine Drav Ovilia ab eo appellatur, ab Antonini vero Itinerario Ovilabis), wie auch Konrad Miller, Die Weltkarte des Castorius 11 annimmt. Da er sie nur von Peutinger erhalten haben kann, so hat dieser später aus uns unbekannten Gründen die Tatsache abgeleugnet.
  3. [277] 75) Er kennt ΙΙI, 35 den Mainzer Bischofskatalog, auf den wohl auch XI s. v. Argentoratum und XII s. v. Wormacia angespielt ist. Wo der III, 4 aus Gresemund gegebene Stammbaum der ersten germanischen Könige stand, ist unsicher. Haben wir hier einen Rest der von Mutian (s. u. Anm. 112) erwähnten Arbeiten Gresemunds zu einer Germania illustrata?
  4. [277] 76) S. Exegesis IX, 17 und 18. Dazu oben S. 148.
  5. [277] 77) Vgl. Günther i. d. Geogr. Zs. 1900 S. 80.
  6. [277] 78) Exegesis III, 22: Joannes monachus, so auch stets bei Cuspinian. Das Schreiben Maximilians vom 20. Aug. 1514 bei Goldast, Opp. Pirckheimeri 93.
  7. [277] 79) Exegesis II, 45: Columnae quoque penes Treviros videntur, characteribus hellinis insculptae, quarum verba graeca adduxissem, nisi manca, corrupta, exoleta ac pene omnino desiderata fuissent, ita ut nihil pene graecae literaturae plus sapiant. Dazu Pirckheimer an Reuchlin, Nürnberg 1512 dez. 1: Reperi Treveri antiquitates varias tam graecas quam latinas. Ex quibus graeca ista mitto et latina, si tibi id placere intellexero, tuum itaque erit rescribere [Reuchlins Briefwechsel ed. Geiger 184, vgl. Bursian, Gesch. d. klass. Philol. I, 1632]. Danach kann Irenikus die Abschrift bei Reuchlin oder Pirckheimer gesehen haben oder sich, da er die Briefsammlung kannte (s. seine Zitate oben Anm. 73), danach erkundigt haben.
  8. [278] 80) Exegesis III, 10 und VI, 19. Das Zitat ist die korrumpierte Wiedergabe einer Suidasstelle über Zonaras.