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die Germania maxima auch jetzt noch glaubt, wie 1517, ist deutlich sichtbar, auch seine Vorliebe für die Goten ist geblieben, ihnen zuliebe führt er uns tief in den sarmatischen Osten hinein, wo er zugleich neues geographisches Wissen zu bieten vermag. Von den Gotenresten in der Krim gab er wohl die erste gedruckte Kunde.[1]

Aber weder Rotenhan noch Pirckheimer boten Vorarbeiten zu einer Germania illustrata, wie sie sich Aventin gedacht hatte. So machte sich dieser, das Erscheinen der deutschen Geschichte des Rhenanus nicht abwartend, am 18. Februar 1531 daran, die Germania illustrata, deren Plan er schon vor zwei Jahren den Freunden verlautbart hatte, selbst zu schreiben.[2]

Es waren in der Tat carmina prius non audita, wie die Ankündigung verheißen hatte, die Aventin hier vortrug. Mit tiefsinnigen Spekulationen über Weltschöpfung, Menschwerdung und Sündenfall beginnend, führte das erste Buch zu Noah, dann zu Tuiscon, der Deutschen erstem König und seinen Verwandten, zu Mannus und seinen Söhnen, zu Ingevon, Istävon und Herimann, dem fünften in der Königsreihe. Also die ganze Genealogie des Berosus, und man durfte sich wundern, sie bei dem Autor wiederzufinden, der über Irenikus so hart geurteilt hatte.

Aber freilich: Aventin hatte mehr zu geben als Irenikus. Es war nicht ein kahler Stammbaum, den er zusammenzimmerte, sondern er brachte die Ordnungen, die Noah gegeben hatte, die Gesetze des Tuiscon, erzählte Ausführliches von den „druten, der alten Teutschen münch“ und von der „außteilung des jars und der zeit“, die bei den alten Deutschen Brauch gewesen war. Das alles, wie er ausdrücklich betonte, nicht nach sagenhafter Kunde, sondern nach den bewährtesten Quellen, zu denen neben und vor den Griechen und Römern auch die alten deutschen Heldenlieder gehören, soweit er sie durch das Dunkel der Zeiten erkennen kann.

Nur dieses erste Buch oder eigentlich nur ein Stück des beabsichtigten ersten Buchs hat Aventin in lateinischer und deutscher Sprache fertig gestellt, neun weitere, deren Plan uns vorliegt, sollten folgen. Ihre Ausführung ist zunächst durch die Verdeutschung der zweiten Hälfte seiner bairischen Annalen, dann durch seinen Tod verhindert worden. Stofflich ist uns kaum etwas verloren gegangen. Denn der Plan der Germania illustrata, oder wie er es dann wohl nennen wollte, des „Zeitbuchs über ganz Deutschland“, stand neben Aventin schon 1526, als er die bairische Chronik begann, ja eigentlich schon, als er 1510–21 die Annales Boiorum schrieb. Im Zusammenhang


  1. [283] 127) Auch Melanchthon weiß etwas davon in seinem Tacituskommentar (Abdruck im Schardius redivivus I, 80), doch ist dieser (undatiert) nicht vor 1531 zu setzen, da die Res Germanicae des Rhenanus zitiert werden. Wahrscheinlich bezieht sich auf diesen Kommentar, was Aventin 1531 (s. o.) an Rhenanus schreibt: Audio Philippum quoque in manibus Germaniam habere, quam propediem editurus sit.
  2. [283] 128) Dieser Plan ist erst durch den 1908 erschienenen (6.) Ergänzungsband der großen Aventinausgabe der Münchner Akademie mit Leidingers umsichtigem Kommentar zu übersehen. Es kommen in Betracht: 1) Der Indiculus Germaniae illustratae in drei lateinischen Fassungen (WW. VI, 60 ff.): A und B gehören zu 1529, C zu 1532; dasselbe deutsch als „Kurzer Auszug“ (WW. I, 307 ff.), (daß auch dieser zu 1529 gehört, ergibt sich aus einem Vergleich von I, 311,24 mit dem Hauskalender VI, 45,20), und als „Hauptstuck des zeitbuchs über ganz Teutschland“ (WW. I, 307 ff. unter dem Text), die zur Rezension C und damit zu 1532 gehören (Über den Hauptunterschied s. Leidinger in VI, 61 g. E.). 2) Die Germania illustrata, jetzt aus einer Salzburger Hs. in VI, 72 ff. abgedruckt und als Übersetzung davon die Deutsche Chronik in I, 299 ff. Diese ist durch den Druck von Brusch von 1541 längst bekannt, doch bietet der lateinische Text selbständiges Interesse, besonders durch Angabe literarischer Beziehungen Aventins.