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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Sokrates.

Meine Stimme hast du, Eryximachus. Liebe ist es ja ohnehin, worauf all mein Philosophiren zuletzt hinausläuft. Agathon und Pausanias werden dir schwerlich entgegen seyn, und Aristophanes der mit Venus und Bacchus so vertraut ist, wird sich nicht lange bitten lassen. Ueberhaupt sehe ichs allen an, daß ihnen dein Vorschlag gefällt. Uns die wir hier unten sitzen, wird es freylich nicht zum besten ergehen. – Was wird uns nach so vielen zierlichen Reden noch übrig bleiben? Doch die schönen Reden selbst werden unser Trost seyn. So mag denn Phädrus in Gottes Nahmen beginnen!“

Ich werde euch nun freilich diese Reden nicht mehr vollständig mittheilen können. Sie waren theils dem Gedächtniß des Aristodem selbst nicht mehr ganz gegenwärtig, theils ist auch mir von seiner Erzählung manches wieder entfallen. Aber die merkwürdigsten sind mir noch deutlich genug geblieben, um sie euch mittheilen zu können.

„Groß und wunderbar in vielen Rücksichten, hub Phädrus an, ist Amor unter Menschen und Göttern, vorzüglich aber in Rücksicht seines Ursprungs. Der ältesten Gottheiten eine zu seyn, ist ein hoher Vorzug; und dieses ehrwürdige Alter hat Amor, denn er hat keine Eltern. Kein Dichter und kein Prosaist nennt sie uns; und Hesiod sagt sogar: „Zuerst sey das Chaos erzeugt worden

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_183.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)