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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

sey? Billig sollte es also durch ein Gesez verboten seyn, Minderjährige zu lieben. Edle Liebende schreiben zwar selbst sich dieses Gesez vor; aber jenen gemeinen Liebhabern einen solchen Zaum anzulegen, wäre darum nicht überflüssig; so wie man auch ihren Angriffen auf freygeborne Weiber solche heilsame Schranken gesezt hat. Denn diese niedrig denkenden Menschen allein haben die Liebe in einen so übeln Ruf gebracht. Ihr liederliches und treuloses Betragen allein hat die Meinung erzeugt: daß es schändlich sey, des Liebenden Liebe zu erwiedern; eine Sache, die doch so wenig als alles andere, was mit Anständigkeit und Sittlichkeit geschieht, Tadel verdienen kann! In allen Staaten hat die Gewohnheit in Rüksicht der Liebe etwas festgesezt, was als Gesez gilt. In allen andern Staaten, ausser Sparta und Athen, ist dieses Gesez sehr einfach und kann ohne Kopfbrechen verstanden werden; bey uns ist es aber etwas verwickelter. In Elis und Böotien, wo die großen Redner bekanntlich nicht zu Hause sind, ist es ohne Einschränkung erlaubt, des Liebenden Liebe zu erwiedern; weder Jung noch Alt hat da etwas Arges dran. Es würde aber auch den guten Leuten gar zu sauer werden, wenn sie ihren Kindern andre Grundsäze beybringen müßten; so etwas kann doch nicht ohne Reden vor sich gehen. In Jonien hingegen und bey allen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_192.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)