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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

nicht nur alle Dichter, die Schöpfer ihres Stoffes, sondern auch von den Künstlern alle die, die Selbsterfinder sind. Der alleredelste und schönste Zweig dieser Philosophie ist aber ohne Zweifel die Kunst Staaten und Familien zu regieren – die Weisheit und Gerechtigkeit, wie sie deswegen auch vorzugsweise genannt wird. Wer nun aus diesem edleren Theile der Menschen den Keim zu einem solchen Produkt des Geistes schon von seiner Kindheit an in sich trägt, der hat etwas göttliches in seiner Natur. Der Trieb zum Erzeugen erwacht in ihm, so bald er zu einiger Reife gedeiht. Auch in ihm entsteht dann ein Streben nach einem schönen Gegenstande (denn ein häßlicher ist dazu gar nicht tauglich), durch welchen der in seiner Seele vorhandne Stoff entbunden werde. Sein Zustand bringt es also mit sich, daß er auch Körper, und zwar die schönen mehr als die häßlichen, liebt. Findet er aber einen schönen Körper mit einer schönen, edeln, fähigen Seele vereint, so wird seine ganze Zuneigung von diesem zweifach schönen Gegenstande gefesselt. Sein ganzes Herz öffnet sich sogleich gegen einen solchen Menschen; er sucht ihn zu unterrichten, er schildert ihm die Eigenschaften der Tugend, er lehrt ihn, was ein rechtschaffener Mensch sein und wie er handeln müsse. So geschieht es denn, daß dasjenige, was zuvor in seiner Seele noch unentwickelt

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_353.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)