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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

zu lassen. Jedesmal zwingt er mich, zu gestehen, daß ich mich selbst vernachläßige, indem ich mich in die Angelegenheiten der Athenienser mische; und doch für mich selbst noch soviel zu thun hätte. Mit Gewalt reisse ich mich also loß; als müßte ich vor dem Locken der Sirenen mein Ohr verschließen, fliehe ich vor ihm, und könnte leicht bis in mein spätes Alter neben dem gefährlichen Sprecher sitzen bleiben. Dieser einzige Mensch kann mich zwingen – was man kaum bei mir für möglich halten sollte – mich zu schämen. Er ist aber auch der einzige in der Welt, der dies vermag! Ich bin mir bewußt, daß ich nichts gegen seine Erinnerungen aufzubringen weiß; aber, sobald ich von ihm weg bin, lasse ich mich von der Gunst des großen Haufens wieder hinreissen. Ich meide ihn also, ich fliehe vor ihm, wo ich kann; wenn ich ihn sehe, so schäme ich mich, daß ich ihm soviel eingeräumt habe, und oft wünsche ich herzlich, daß er lieber gar nicht mehr auf der Welt wäre; träfe aber mein Wunsch ein, so weiß ich wohl, daß es mir noch weit empfindlicher als alles andre sein würde – so, daß ich in der That nicht weiß, was ich mit diesem Menschen machen soll. Daran könnt ihr also sehen, was die Kunststücke dieses Satyrs bei mir und andern für eine große Gewalt haben. Aber hört nur, wie ähnlich auch in andern Rüksichten Sokrates den Silenen ist, mit

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_370.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)