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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

der Colonnade nieder, sie stürzten mit unbeschreiblichen Krachen übereinander, mich durchschauerte die Todesangst: nun bist du lebendig begraben! Aber der Blitz goß durch die Kuppel eine solche Flammenfluth in das Innre des Doms, daß ich die Augen schliessen mußte, aus Furcht geblendet zu werden. Endlich verzog sich das Gewitter, und es ward wieder todstill um mich her, izt um so grauenvoller, da noch immer das tiefste Dunkel über dem Thale ruhte. Ich fing schon an, mich wieder nach dem Gebrüll des Donners und nach dem Heulen der Stürme zu sehnen, denn die schauerliche Einsamkeit machte das Mark in meinen Gebeinen erstarren. Kaum wagte ich es, mich zu regen, bey jedem leisen Laute fuhr ich zusammen, der Wiederhall schien mit den fürchterlichen Gestalten im Bunde zu stehen, welche meine Phantasie mir, bey jeder Bewegung des Auges, riesenmäßig vormahlte. Ach, was gelobte ich nicht da in der Angst meines Herzens! Als Pilgrim wollte ich barfuß wallen zum heiligen Grabe nach Jerusalem; als Nönnchen wollte ich alle meine süßen Lebensplane aufgeben, und allein in enger, trauriger Zelle meine Tage unter Gesang und Gebet dahinschwinden sehn. Aber nichts rettete mich izt aus meinem Grauen, vielmehr glühte es immer heftiger in meiner Einbildungskraft. Plözlich höre ich ein Geräusch und falle zitternd, eiskalt,

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_401.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)