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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

ohne Nachsicht zu verfolgen. Er hatte nicht die Unwissenheit zu belehren, sondern die Verkehrtheit zurecht zu weisen. Erschütterung foderte die Kur, nicht Einschmeichelung und Ueberredung; und je härter der Abstich war, den der Grundsatz der Wahrheit mit den herrschenden Maximen machte, desto mehr konnte er hoffen, Nachdenken darüber zu erregen. Er ward der Drako seiner Zeit, weil sie ihm eines Solons noch nicht werth und empfänglich schien. Aus dem Sanktuarium der reinen Vernunft brachte er das fremde und doch wieder so bekannte Moralgesetz, stellte es in seiner ganzen Heiligkeit aus vor dem entwürdigten Jahrhundert, und fragte wenig darnach, ob es Augen gibt, die seinen Glanz nicht vertragen.

Womit aber hatten es die Kinder des Hauses verschuldet, daß er nur für die Knechte sorgte? Weil oft sehr unreine Neigungen den Nahmen der Tugend usurpiren, mußte darum auch der uneigennützige Affekt in der edelsten Brust verdächtig gemacht werden? Weil der moralische Weichling dem Gesetz der Vernunft gern eine Laxität geben möchte, die es zu einem Spielwerk seiner Konvenienz macht, mußte ihm darum eine Rigidität beygelegt werden, die die kraftvolleste Aeusserung moralischer

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_183.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)