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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Die Liebe allein ist also eine freye Empfindung, denn ihre reine Quelle strömt hervor aus dem Sitz der Freyheit, aus unsrer göttlichen Natur. Es ist hier nicht das Kleine und Niedrige, was sich mit dem Großen und Hohen mißt, nicht der Sinn, der an dem Vernunftgesetz schwindelnd hinaufsieht; es ist das absolut Große selbst, was in der Anmuth und Schönheit sich nachgeahmt und in der Sittlichkeit sich befriedigt findet, es ist der Gesetzgeber selbst, der Gott in uns, der mit seinem eigenen Bilde in der Sinnenwelt spielt. Daher ist das Gemüth aufgelöst in der Liebe, da es angespannt ist in der Achtung; denn hier ist nichts, das ihm Schranken setzte, da das absolutgroße nichts über sich hat, und die Sinnlichkeit, von der hier allein die Einschränkung kommen könnte, in der Anmuth und Schönheit mit den Ideen des Geistes zusammenstimmt. Liebe ist ein Herabsteigen, da die Achtung ein Hinaufklimmen ist. Daher kann der Schlimme nichts lieben, ob er gleich vieles achten muß; daher


der Liebe her, die ein Ingrediens der Hochachtung ausmacht. Achten muß auch der Nichtswürdige das Gute, aber um denjenigen hochzuachten, der es gethan hat, müßte er aufhören, ein Nichtswürdiger zu seyn.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_219.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)