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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Meilen langer Wald, das Herumirren auf der gränzenlosen See, sind lauter Vorstellungen, welche Grauen erregen, und in der Dichtkunst zum Erhabenen zu gebrauchen sind. Hier aber (bey der Einsamkeit) ist doch schon ein objektiver Grund der Furcht, weil die Idee einer großen Einsamkeit auch die Idee der Hülflosigkeit mit sich führt.

Noch weit geschäftiger beweißt sich die Phantasie, aus dem geheimen unbestimmten und undurchdringlichen einen Gegenstand des Schreckens zu machen. Hier ist sie eigentlich in ihrem Element, denn da ihr die Wirklichkeit keine Gränzen setzt, und ihre Operationen auf keinen besondern Fall eingeschränkt werden, so steht ihr das weite Reich der Möglichkeiten offen. Daß sie sich aber gerade zum Schrecklichen hinneigt und von dem unbekannten mehr fürchtet als hofft, liegt in der Natur des Erhaltungstriebs, der sie leitet. Die Verabscheuung wirkt ungleich schneller und mächtiger als die Begierde, und daher kommt es, daß wir hinter dem Unbekannten mehr Schlimmes vermuthen, als Gutes erwarten.

Die Finsterniß ist schrecklich und eben darum zum Erhabenen tauglich. Sie ist aber nicht

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_356.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)