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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

Liebe und Selbstsucht bestimmen bloß den Umfang dessen, was jeder als Theile seines Ichs – und oft vielmehr als ein besseres Ich – von der übrigen Welt absondert.

Die Zeichen der erhebenden Gefühle sind: steigender Ton – geschwinderer Takt – stärkere Aussprache – freye Brust ohne Aufsparung und Zurückhaltung des Odems.

Die Zeichen der niederdrückenden Gefühle dagegen: sinkender Ton – langsamerer Takt – schwächere Aussprache – gepreßte Brust mit Zurückhaltung des Odems.

Diese Zeichen sind die Musik des Vorlesers. Aber weil er eben auf diese wenigen Mittel eingeschränkt ist, so ist desto größere Sparsamkeit in ihrem Gebrauche nöthig.

Daher das erste Gesetz der Deklamation: nicht das kleinste Zeichen einer leidenschaftlichen Stimmung in den Momenten der Ruhe zu verschwenden.




Das Moment wenn bey einer gegebenen Gedankenreihe die ruhige Stimmung in eine leidenschaftliche übergeht, und die Entscheidung der Frage: ob das leidenschaftliche Gefühl erhebend oder niederdrückend ist? wird durch den Charakter bestimmt.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_108.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)