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Nürnberg, Augsburg mit dem hoch gebildeten Oberitalien in Verkehr standen.

Und nach dem fünfzehnten Jahrhundert! Muß ich nicht Luther selbst und die Reformation voranstellen? Darf ich verschweigen, daß die unmittelbaren Wirkungen dieser auf Jahrtausende hinauswirkenden Begebenheit, wie für ganz Deutschland, so insbesondere auch für Niedersachsen nicht glücklich, nicht segenbringend waren? Welch ein Gemälde des Innern: rabulistische Theologen, hexenriechende Juristen, blutdürstige Obrigkeiten, dumpfer Haß, ächzende Kirchengesänge, furchtbarer Wahnglaube an Zauberei, Bezauberung und Teufelsbesessenheit[1]. Welch ein Gemälde des Aeußeren: der dreißigjährige Krieg, Magdeburgs Untergang, Schwedens Besitznahme norddeutscher Städte und Provinzen, Hannovers Verwandlung aus früherem Reichslehn in einen Familienbesitz englischer Könige, wie schon früher und vor Luther Nordalbingien in einen Familienbesitz dänischer Könige, selbst Brandenburgs steigende Größe, die zu guter letzt die Wagschaale der Macht und des politischen Einflusses überwiegend auf jene nordöstlichen Provinzen Deutschlands niedersenkte, die von slavischer Stammbevölkerung ursprünglich der Wurzelkraft des germanischen Lebens entbehrten, aber durch Aussaugen und Anziehen germanischer Säfte und Kräfte sich konsolidirt und ausgebildet hatten.

Lasse ich die schwere Kette fallen, es fehlt ihr so mancher Ring, dessen Ergänzung ich dem Geschichtforscher überlasse.

Wie konnte, bei einer solchen Zahl und Reihe von Schicksalen der niedersächsische Stamm gedeihen, wie konnte sich eine


  1. Die Hexenprozesse, die mit wenig zahlreichen Ausnahmen erst nach der Reformation und hauptsächlich im protestantischen Norddeutschland geführt wurden und denen ein Glaube an den Einfluß böser Geister zu Grunde lag, den Luther, in melancholischen Anfällen selbst oft mit dem persönlich ihm erscheinenden Teufel ringend, nur zu sehr genährt hatte, diese Hexenprozesse haben Deutschland im 17ten Jahrhundert vielleicht mehr Menschen gekostet, als Spanien die Inquisition.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Ludolf Wienbarg: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden?. Hoffmann und Campe, Hamburg 1834, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Platt_pflegen_(Wienbarg)_015.jpg&oldid=- (Version vom 19.8.2017)