Seite:De Selbstbefleckung Tissot 69.jpg

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Wer ist im Stande die Gemüts-Krankheiten aus den Gebrechen und Fehlern des Körpers herzuleiten? Denn es ist wahr, daß ein Körper in eine andere unkörperliche Substanz nicht würket, indessen zeiget doch die Erfahrung, daß das Gemüte mit dem Körper leidet; ein langsamer oder geschwinderer Umlauf des Blutes, die Flußigkeit oder Dike desselben verändern ja gänzlich die Urteile der Sele, besonders aber leidet sie bei denen Krankeiten der Lebensgeister: wir wissen die Art nicht wie es zugehet, und es ist auch wenig daran gelegen, genug die Erfahrung hat uns gelehret, daß bei einem gesunden Körper die Selenkräften mit denen Leibeskräften in einem genauen Verhältnuß stehen.


Wir sehen daß mit unserm Leibe zugleich auch der Verstand entsteht,
Daß Er wie jener wächßt und zunimt, wie er veraltet und vergeht.
Gleichwie denn schwach und zarten Knaben
Auch schwache Urteilskräfte haben.
Hernach, wenn man an mehrern Jaren und Leibeskräften zugenommen,
Pflegt auch die Stärke des Gemüts zu mehr Vollkommenheit zu kommen.

Empfohlene Zitierweise:
Simon-Auguste Tissot: Versuch von denen Krankheiten, welche aus der Selbstbeflekung entstehen. Frankfurt und Leipzig 1760, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Selbstbefleckung_Tissot_69.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)