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kennenzulernen. Er gibt hauptsächlich sechs Charakterzüge der Flora an, die für tropischen Ursprung sprechen:

     1. Soweit die Fruchtorgane der fossilen Farne ein Urteil zuließen, ergab sich ihre Verwandtschaft mit Familien, die heute in den Tropen zu Hause sind. Unter anderem ist die Verwandtschaft vieler karbonischer Farne mit den heutigen Marattiaceen erwähnenswert.

     2. In der Karbonflora treten stark in den Vordergrund Baumfarne und kletternde bzw. windende Farne. Überhaupt überwiegen baumförmige Gewächse auch in Gruppen, die heute meist krautig sind.

     3. Manche karbonischen Farne, z. B. das Baumfarn Pecopteris, haben Aphlebien, d. h. unregelmäßig zerschlitzte Fiedern an den Ansatzstellen der Nebenspindeln, die sich von der übrigen regelmäßigen Fiederung der Wedel auffallend unterscheiden. Sie sind schon ausgewachsen, wenn die jungen Normalfiedern noch eingerollt sind. Solche Aphlebien werden heute nur an tropischen Farnen beobachtet.

     4. Eine bedeutende Zahl von Karbonfarnen hat so große Wedel, wie sie nur in den Tropen vorkommen. Es gibt Wedel, die mehrere Quadratmeter groß sind.

     5. Zuwachszonen (Jahresringe) fehlen vollständig in den Stämmen der europäischen Karbonbäume. Das Wachstum ist also wohl weder durch periodische Trockenzeiten noch durch periodische Kälte unterbrochen worden. Wir können jetzt hinzufügen: Dagegen hat man sowohl auf den Falklandsinseln wie in Australien — die beide, wie Abb. 35 und 36 zeigen, in hoher Südbreite lagen — permokarbone Hölzer mit deutlichen Jahresringen gefunden.

     6. Man hat Stammbürtigkeit der Blüten (Cauliflorie) festgestellt „bei Calamariaceen und Lepidophyten, und zwar bei diesen letzteren bei gewissen Lepidodendraceen (der ‚Gattung‘ Ulodendron, die sich sogar ausschließlich auf jene großen Male an den Stammresten gründet, welche stammbürtigen Blüten entsprechen) und Sigillariaceen… Heutzutage sind Gehölze, deren Blüten aus altem Holze (aus Stämmen und Zweigen) seitlich hervorbrechen, fast ganz auf den tropischen Regenwald beschränkt… Es ist vielleicht der durch die dichte, tropische Vegetationsdecke bedingte mächtige Kampf ums Licht, der sich darin ausspricht, daß die lichtbedürftigen

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_145.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)