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in ein System ordnen, das vollkommen dem heutigen Klimasystem entspricht, wenn man den Südpol in die Gegend von Südafrika verlegt. Bei der heutigen Lage der Kontinente dagegen ist es überhaupt unmöglich, sie zu einem verständlichen Klimasystem zusammenzufassen. Dadurch werden diese Beobachtungen zu einem der stärksten Beweise für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie.

     Der paläoklimatische Beweis für die Verschiebungstheorie wäre allerdings unvollständig, wenn er nur für die Karbon- und Permzeit zu führen wäre und für die folgenden Zeiten versagte. (Für die vorangehenden ist er einstweilen nicht zu führen, weil für diese Zeiten gegenwärtig noch die Kartengrundlage fehlt.) Dies ist aber keineswegs der Fall. Ich habe in dem gemeinsam mit Köppen verfaßten Buche [151] der Reihe nach alle folgenden geologischen Zeiten in der gleichen Weise behandelt, wie es hier — gekürzt — für das Karbon und Perm geschehen ist. Der beschränkte Raum verbietet es, diese Ausführungen hier zu wiederholen, und wir müssen den Leser deshalb auf unser Buch verweisen. Das Ergebnis ist aber stets das gleiche: Benutzt man als Kartengrundlage die Rekonstruktion nach der Verschiebungstheorie, so ordnen sich die Klimazeugnisse stets zu einem dem heutigen grundsätzlich gleichen System, während bei der heutigen Lage der Kontinente Widersprüche auftreten. Je mehr wir uns der Gegenwart nähern, desto geringer werden natürlich diese Widersprüche, weil eben auch die Lage der Kontinente sich der heutigen immer mehr nähert, und um so schwächer wird daher die Beweiskraft dieser Zeugnisse für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie.

     Im übrigen sei bemerkt, daß bei der Deutung der Vorzeitklimate die Polwanderungen, zumal in den späteren Zeiten, die wichtigste Rolle spielen. Polwanderungen und Kontinentverschiebungen bilden hier, sich gegenseitig ergänzend, das ordnende Prinzip, bei dessen Anwendung sich das bisherige Durcheinander von ungeordneten, ja sich scheinbar widersprechenden Einzeltatsachen zu einem Bilde von immer wieder überraschender Einfachheit gliedert, das durch seine völlige Analogie mit dem jetzigen Klimasystem von ungemein überzeugender Wirkung ist. Zu danken ist dies aber erst der Verschiebungstheorie, denn ohne diese vermag die Theorie der Polwanderungen höchstens für die jüngsten Zeiten eine leidlich befriedigende Lösung zu geben.

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_151.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)